4 Funktionen

4.1 Funktion als Input-Output-Relation oder Abbildung

Wir erinnern an das in Kapitel 1 besprochene empirische Verfahren der Physik und betrachten den einfachsten, aber häufigen Fall: In einem Experiment werde die Abhängigkeit zweier physikalischer Größen von einander untersucht: " math formula als Funktion von math formula" oder math formula: Dabei wird die eine Größe math formula, unabhängige Variable genannt, messbar verändert und die zweite Größe math formula, die abhängige Variable, jeweils gemessen. Man mag sich die Messapparatur wie im beigefügten Bild als schwarzen Kasten vorstellen, in den die math formula als Input eingegeben werden und aus dem die zugehörigen math formula als Output herauskommen.

math formula
Bild 4.1: Funktion als schwarzer Kasten mit math formula als In- und math formula als Output

Die Physiker denken dabei z.B. an einen elektrischen Stromkreis, bei dem die angelegte Spannung an einem Potentiometer schrittweise verändert und mit einem Drehspulgalvanometer die jeweilige Stromstärke gemessen wird, um die Kennlinie zu erforschen. Aber auch der zeitliche Verlauf des Ausschlags eines Pendels oder die radioaktiv zerfallende Stoffmenge als Funktion der Zerfallszeit sind weitere aus der Vielzahl von physikalischen Beispielen.

Das Resultat einer solchen Messreihe ist zunächst eine Wertetabelle math formula. Die Daten können auch in einer graphischen Darstellung veranschaulicht werden, wie unten im Bild an Beispielen gezeigt. Die Veranschaulichung der Funktionen als Schaubild, von uns meist Graph genannt, durch Eintragen der Wertetabelle in ein ebenes kartesisches ( d.h. rechtwinkliges ) Koordinatensystem mit der Abszisse math formula auf der 1-Achse und der Ordinate math formula auf der 2-Achse ist für die Physiker selbstverständlich.

Bilder 4.2: In den folgenden Abbildungen finden Sie Beispiele für
Wertetabellen, graphische Darstellungen und interpolierende Funktionen
für eine schwindende Spiralfeder

1) Rücktreibende Kraft math formula der Feder gemessen in mN in Abhängigkeit von der Auslenkung math formula in cm,

math formula math formula
1 -0,42
1,5 -0,55
2 -0,82
2,5 -1,03
3 -1,25
3,5 -1,45
4 -1,65
4,5 -1,80
5 -1,95
5,5 -2,20
6 -2,35
6,6 -2,60
  math formula


2) In der Feder gespeicherte potentielle Energie math formula gemssen in mJ in Abhängigkeit von der Auslenkung math formula in cm,

math formula math formula
1 0,6
1,5 1,0
2,5 2,8
2,9 3,9
3,1 4,8
3,5 6,1
  math formula


3) Auslenkung der Spiralfeder math formula gemesse in cm in Abhängigkeit von der Zeit math formula in math formula,

math formula math formula
0,3 3,5
0,5 2,8
0,7 1,2
1,1 -1,8
1,4 -3,2
1,7 -3,1
2,4 -0,8
2,6 1,5
3,2 2,4
3,6 1,4
4,3 -1,1
4,8 -1,8
  math formula


4) Schwingungsdauer der Spiralfeder math formula in math formula als Funktion der Masse math formula in g bei unveränderter Federkonstante math formula,

math formula math formula
2,5 0,75
10 1,63
14 1,91
20 2,23
25 2,46
  math formula


5) Schwingungsdauer math formula der Spiralfeder in math formula als Funktion der Richtkraft math formula gemessen in math formula bei unveränderter Masse math formula.

math formula math formula
3 3,253
4 2,72
5 2,16
7 1,75
8 1,71
10 1,59
  math formula

Wenn man sich über die unvermeidlichen Meßfehler Rechenschaft gegeben hat, kann man daran gehen, die Meßwerte durch eine Kurve zu verbinden bzw. eine mathematische Rechenvorschrift, d.h. Funktion zu suchen, die die Abhängigkeit der beiden Größen beschreibt. Gelingt es, eine solche Funktion zu finden, hat das viele Vorteile: Eine mathematische Formel ist meist kurz und übersichtlich; sie kann viel leichter als umfangreiche Wertetabellen gestapelt, weiterverarbeitet und anderen Interessenten mitgeteilt werden. Mit ihrer Hilfe kann auch genauer zwischen den Meßwerten interpoliert und über den untersuchten Bereich hinaus extrapoliert werden, was wieder neue Experimente anregt. Endlich ist sie der erste Schritt zu einer Theorie und damit zum Verständnis des Experiments.

Einschub: Zur Geschichte


Wir müssen uns also aus physikalischen Gründen mit Funktionen befassen, und zwar zunächst mit reellen Funktionen einer reellen Variablen.

Mathematisch kann eine Funktion math formula betrachtet werden als eindeutige Abbildung math formula eines Punktes aus einem Bereichs math formula, dem "Definitionsbereichs" von math formula, der unabhängigen Variablen math formula ( auch Abszisse oder Argument genannt ) auf einen Punkt math formula aus dem Bereich math formula, dem "Wertevorrat" von math formula, der abhängigen Variablen math formula ( auch Ordinate oder Funktionswert genannt ).

Während die Angabe des Definitionsbereichs neben der Abbildungsvorschrift für eine Funktion unbedingt erforderlich ist und oft über die Eigenschaften der Funktion entscheidet, ist die genaue Angabe des Wertevorrats math formula meist von geringerer Wichtigkeit und erfordert manchmal einige Mühe.

math formula
Bild 4.3: Funktion f als Abbildung des Definitionsbereichs Df in den Wertevorrat Wf mit zwei Pfeilen, die von zwei Urbildpunkten zu einem Bildpunkt führen.

Die Urbildmenge math formula ist meist ebenso wie die Bildmenge math formula ein Stück der reellen Zahlengeraden math formula. Die ausdrücklich in die Definition der reellen Funktionen mit einbezogene Eindeutigkeit bedeutet, dass es zu jedem math formula ein und nur ein math formula gibt. ( Es ist allerdings ohne weiteres möglich, dass zwei verschiedene Urbildpunkte in ein und denselben Bildpunkt abgebildet werden. ) In mathematischer Kurzschrift zusammengefaßt:

math formula Funktion math formula



Das Rechnen mit reellen Funktionen einer reellen Variablen erfolgt nach den Regeln des Körpers math formula mit den beiden Kommutativen und Assoziativen Gesetzen sowie dem verbindenden Distributivgesetz, die wir im Kapitel 2 bei den Zahlen zusammengestellt haben: Z.B. ergibt die Summe bzw. Differenz zweier reeller Funktionen math formula eine neue reelle Funktion, das reelle Vielfache math formula mit math formula ebenfalls und analog das Produkt math formula oder, falls math formula im gesamten Definitionsbereich, auch der Quotient math formula.