Perspectives of Astronomy
Die Teleskope der nächsten Generation
Eine Fülle neuer Großobservatorien auf der Erde und im Weltraum wird den Astronomen der nächsten Generation zur Verfügung stehen. Auf einer internationalen Tagung in München wurden Geräte für alle Wellenlängenbereiche des elektromagnetischen Spektrums und auch zukünftige Detektoren für Gravitationswellen vorgestellt.
Das Ziel der Astronomen, immer tiefer und mit noch besserer Auflösung in den Kosmos zu sehen, macht für die Zukunft größere und technologisch aufwendige Teleskope erforderlich. Vor allem betrifft das Oberservatorien für elektromagnetische Strahlung, die weit über den sichtbaren (optischen) Bereich hinaus sowohl bei kleineren Energien (vom Infraroten bis zu den Radiowellen) als auch bei höheren Frequenzen (vom Röntgen- zum Gammastrahlungsbereich) zum Nachweis von Himmelsobjekten und zur detaillierten Untersuchung astrophysikalischer Prozesse genutzt wird. Himmelsdurchmusterungen möchte man möglichst lückenlos und in mehreren Spektralbereichen durchführen, Punktquellen ebenso bei unterschiedlichen Wellenlängen darstellen.
Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops wird das Next Generation Space Telescope NGST, das voraussichtlich um 2010 gestartet wird. Sein Primärspiegel wird 8 Meter Durchmesser haben - das ist bisher den modernsten erdgebundenen Teleskopen vorbehalten. Für eine Weltraummission sind die Anforderungen an geringes Gewicht (NGST soll leichter und billiger als das omnibus-große HST sein) bei gleichzeitiger hoher Präzision besonders kritisch. Unter den verschiedenen Projektstudien - so schlug die Universität von Arizona mit industriellen Partnern einen 6-Meter-Einzelspiegel aus einer nur wenige Millimeter dünnen Zerodur-Membran auf einer Kohlefaser-Unterstützung vor - wird ein segmentierter 8-Meter-Spiegel aus sechseckigen, beim Start gefalteten Elementen favorisiert (Bild 1). Computergesteuerte Aktuatoren stellen sicher, dass der Spiegel auch bei Temperaturen, die 250 Kelvin unter der Temperatur beim Polieren auf der Erde liegen, noch die erforderliche Präzision behält.
Ein solches Teleskop könnte beispielsweise in einer Atlas-Rakete mit einem Innenraum-Durchmesser von 4 Metern untergebracht und erst im Orbit entfaltet werden. Um Streulichteinflüsse zu reduzieren und das Teleskop möglichst kühl (unter 70 Kelvin) zu halten, soll die Umlaufbahn soweit wie möglich vom Erde-Mond System entfernt sein. Voraussichtlich wird es um einen der sogenannten Lagrange-Punkte ((L2)) des Sonne-Erde-Systems gemeinsam mit der Erde die Sonne umkreisen. Diese etwa 1,5 Millionen Kilometer ((vierfache Entfernung Erde-Mond)) auf der sonnenabgewandten Seite von der Erde entfernte Position kann durch ein Swing-by Manöver am Mond erreicht werden, wobei dessen Gravitationsanziehung ausgenutzt wird; sie lässt sich jedoch im Prinzip auch ohne Mithilfe des Mondes erreichen. Eine Wartung durch Astronauten ist dort jedoch nicht mehr möglich, und hoffentlich auch nicht nötig.
Durch die zehnfach größere Lichtsammelfläche als beim HST ist das NGST bei infraroten Wellenlängen von 1 bis 5 Mikrometern tausendmal empfindlicher, und sehr entfernte oder schwach leuchtende Objekte können registriert werden - darunter Ereignisse, die weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall stattfanden. Wie und wann entwickelten sich aus dem heissen und dichten Plasma im frühen Universum Galaxien, Sterne und die Elemente, auf denen auch unser heutiges Leben beruht? Was können wir über die chemische Entwicklung der Galaxien lernen?
Sehr alte kosmische Objekte haben aufgrund der Expansion des Universums hohe Rotverschiebungen, und ihr ursprünglich bei optischen Wellenlängen ausgesandtes Licht wird ins nahe Infrarot jenseits von 2 Mikrometern Wellenlänge verschoben: ein Bereich, den das Hubble-Teleskop bereits nicht mehr registriert. Das NGST wird dagegen Wellenlängen von 0,6 bis über 10 Mikrometern abdecken. Im nahen Infrarot wird das Verhältnis Signal-zu-Rauschen 200mal besser als bei einem terrestrischen 8-Meter-Teleskop sein, bei einer Auflösung von 0,06 Bogensekunden. Dennoch werden selbst nach einer erfolgreichen Inbetriebnahme des NGST die großen Teleskope auf der Erde wie das VLT keineswegs überflüssig: Im optischen Bereich sind sie durchaus vergleichbar, sofern der Einfluss der Erdatmosphäre durch den Einsatz adaptiver Optik (siehe Spektrum der Wissenschaft Heft...) eliminiert wird. Großteleskope auf der Erde für sichtbares Licht, und weltraumgestütztes Observatorium für den nahen Infrarotbereich werden sich also in idealer Weise ergänzen.
Im Röntgenlicht
Eine wichtige Rolle auf der Münchner Konferenz über neue Teleskope und astronomische Instrumente ((SPIE/ESO, 27-31.3.2000)) spielten die Röntgenobservatorien. Da die Erdatmosphäre hochenergetische Strahlung vom Ultraviolett- über den Röntgen- zum Gammabereich absorbiert, ist man hier vollständig auf Weltraumteleskope angewiesen. Den langjährigen großen Erfolg des deutschen Röntgensatelliten ROSAT (siehe Spektrum der Wissenschaft ...) sollte der 1999 gestartete ABRIXAS fortsetzen und mehr als 10 000 neue Röntgenquellen - meist aktive Galaxien - entdecken sowie die erste komplette Himmelsdurchmusterung bei 0,5 bis 10 Kiloelektronenvolt Energie fertigstellen. Wegen einer überladenen und deshalb defekten Batterie kreist er funktionslos im All.
Immerhin hat er wichtige Vorerfahrungen für den mit drei Wolter-Röntgenteleskopen ausgerüsteten europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton (X-ray Multi Mirror Mission, die zweite "Cornerstone"-Mission der Europäischen Weltraumbehörde ESA) geliefert, der nach einem Bilderbuch-Start mit einer Ariane 5- Rakete im letzten Dezember seine Arbeit begonnen hat; das erste Spektrum wurde Ende Januar aufgezeichnet. Seine Teleskopröhre ist etwa 10 Meter lang und hat 2,5 Meter Durchmesser. Die Röntgenteleskope an der Stirnseite ermöglichen es, gleichzeitig Röntgenbilder und Spektren aufzunehmen. Mit Hilfe von 58 goldbeschichteten dichtgepackten dünnwandigen konzentrischen Spiegelschalen wird das einfallende Röntgenlicht registriert: Die Röntgenphotonen werden bei kleinen Winkeln erst an einem parabolischen, dann an einem hyperbolischen Spiegel reflektiert, und in der Fokalebene des zweiten Spiegels fokussiert. Mit einer ebenfalls eingebauten MOS-Kamera kann gleichzeitig optische Spektroskopie gemacht werden. Auch die Finanzierung ist für die nächsten 20 Jahre gesichert. Bild 2 zeigt eine First-light Aufnahme vom Supernova-Überrest in der Großen Magellanschen Wolke.
XMM wird eine Vielzahl entfernter und deshalb sehr schwacher Röntgenquellen entdecken, ebenso Quasare und Schwarze Löcher. Hochaufgelöste Röntgenspektren von einzelnen Sternen, Supernova-Überresten und Galaxien werden neue Erkenntnisse über die Entwicklung von Sternen und Galaxien zutage fördern. Die genaue Untersuchung von Neutronensternen und Sternatmosphären wird ebenfalls interessante Ergebnisse liefern. Für die Untersuchung von Röntgen-Punktquellen besonders gut geeignet ist der ebenfalls im vergangenen Jahr gestartete amerikanische Röntgensatellit Chandra X-Ray Observatory CXO, siehe Spektrum der Wissenschaft ...). Das Nachfolgeprojekt XEUS für diese beiden großen Röntgensatelliten ist bereits in der Planung.
Auch für den Energiebereich unterhalb des sichtbaren Lichts bringt die Zukunft neue Weltraumteleskope. Als europäisches Gegenstück zum amerikanischen COBE-Satelliten, mit dem das Spektrum der kosmischen 2,7-Kelvin-Hintergrundstrahlung bereits vermessen wurde, startet die ESA im Jahre 2007 mit Ariane 5 ein 1,5 Meter Teleskop mit hochempfindlichen Detektoren. Es ist benannt nach Max Planck, dem wir die korrekte Beschreibung des Spektrums eines Schwarzen Körpers und damit die Begründung der Quantentheorie verdanken. Die kosmische Hintergrundstrahlung entspricht einem solchen Spektrum im Mittel sehr gut. PLANCK soll jedoch - genauer als COBE dies konnte - nach kleinen Abweichungen vom Mittelwert in der Größenordnung von einem Millionstel Kelvin suchen und dadurch unter anderem wichtige Schlüsse auf die Entstehung der Galaxien im frühen Universum ermöglichen.
Gemeinsam mit PLANCK wird das Far InfraRed and Submillimetre Telescope FIRST gestartet. Beide werden unabhängig voneinander den zweiten Lagrangepunkt erreichen und umkreisen - noch vor dem NGST die ersten Observatorien in so großer Entfernung von der Erde. Mit dem 3,5 Meter Spiegel von FIRST und drei Instrumenten (ein hochauflösender Spektrograph, Infrarotkameras und Spektrometer) werden Wellenlängen von 60 bis 670 Mikrometern - deutlich oberhalb des NGST-Bereiches - erfasst. Forschungsziel sind damit Sternentstehungsgebiete, planetare Scheiben und komplexe organische Moleküle in Komentenatmosphären, aber auch die Entstehung der ersten Galaxien.
Zurück zur Erde
Neben dem für uns besonders interessanten optischen Fenster von 300 bis 800 Nanometern hat die Erdatmosphäre auch das sogenannte Radiofenster bei etwa 1 Millimeter bis 20 Meter Wellenlänge. In beiden Bereichen wird erdgebundene Astronomie auch in Zukunft wichtig bleiben, zumal sich der bei Lichtteleskopen störende Einfluss atmosphärischer Turbulenzen durch adaptive Optik ausschalten lässt: Schon heute bildet ein adaptiv korrigiertes 8-Meter-Teleskops auf der Erde bei gleicher Wellenlänge etwa 3,5 mal schärfer als das Hubble-Weltraumteleskop ab.
Eins der weitreichendsten Zukunftsprojekte auf der Erde ist das in der chilenischen Atacama-Wüste auf 5000 Metern Höhe von europäischen und amerikanischen Partnern geplante Atacama Large Millimeter Array ALMA, das detaillierte Untersuchungen entfernter Galaxien, von Sternentstehungsgebieten, protoplanetarer Scheiben und Planeten bei Millimeter-Wellenlängen ermöglichen wird und noch in diesem Jahrzehnt fertiggestellt werden soll. Es besteht aus 64 Antennenschüsseln mit jeweils 12 Metern Durchmesser: eine Fläche von etwa 7000 Quadratmetern. Arbeiten alle 64 Antennen interferometrisch zusammen, wird die Winkelauflösung besser als eine Bogensekunde sein (zum Vergleich: das 15-Meter Submillimeter-Teleskop SEST in La Silla hat eine Winkelauflösung von 44 Bogensekunden). Die ersten beiden Prototyp-Antennenschüsseln werden bis Ende 2001 fertiggestellt. Nach Vollendung des Very Large Telescopes VLT (Bild 3) der ESO in Chile ist ALMA das wichtigste Astronomieprojekt.
Der Ausbau des VLT zum VLTI, bei dem optische Interferometrie eingesetzt wird, um so die beispielsweise zum direkten Nachweis extrasolarer Planeten dringend benötigte höchste räumliche Auflösung bis zu Milli-Bogensekunden zu erreichen, ist dagegen ein jetzt bereits in Angriff genommenes Projekt. In zwei Jahren wird man bereits zwei der vier 8,2-Meter-Teleskope interferometrisch koppeln können. Im Endstadium wird dies zusammen mit drei beweglichen 1,8-Meter-Zusatzteleskopen das bei weitem größte und flexibelste optische und infrarote Teleskop-Interferometersystem sein.
Astronomen denken jedoch in großen Dimensionen und Zeiträumen, und so wundert es nicht, dass es bereits sehr detaillierte Projektstudien für noch gewaltigere erdgebundene Teleskope gibt. Bei geplanten Durchmessern von bis zu 100 Metern können dies keine Einzelspiegel mehr sein, vielmehr werden sie aus Segmenten zusammengesetzt. Anders als in Architektur und Clusterphysik, wo Kombinationen aus Fünf- und Sechsecken (Fullerene) besonders stabile Strukturen ergeben, bevorzugen die Teleskopkonstrukteure derzeit hexagonale Segmente mit bis zu 2 Metern Umkreis, die beispielsweise (wie die monolithischen VLT-Spiegel) aus der Nullausdehnungs-Glaskeramik Zerodur bestehen könnten. Für ein 100-Meter-Teleskop benötigt man mehr als 2000 solcher Elemente - das ist kein prinzipielles technologisches Problem (siehe Gespräch mit Massimo Tarenghi). Sehr viel schwieriger wird jedoch in dieser Größenordnung die Handhabung der adaptiven Optik, die unumgänglich zur Eliminierung des Atmosphäreneinflusses ist. Ob der erste direkte Nachweis extrasolarer Planeten auf die Fertigstellung dieses Gerätes wartet?
G. Wolschin
Interview mit Prof. Massimo Tarenghi, ESO (München) ((VLT-Programmdirektor und Head der Teleskop-Division)) über die Perspektiven der beobachtenden Astronomie
GW: Wie ordnen sich die neuen Geräte der beobachtenden Astronomie in die verschiedenen Bereiche des elektromagnetischen Spektrums ein?
Tarenghi: Bei ESO haben wir in den letzten 3 bis 5 Jahren unsere langfristigen Zukunftspläne diskutiert. Wir sind überzeugt, dass die Astronomie bei Millimeter-Wellenlängen in Zukunft besonders vorangetrieben werden muss. Wir werden tief in den Weltraum hinein"sehen" und dort thermische Emissionen untersuchen. ALMA (Atacama Large Millimeter Array) is deshalb für uns das wichtigste Projekt; wir werden damit einen Bereich der Energieerzeugung im Universum untersuchen, der bisher nicht abgedeckt war, und die physikalischen Mechanismen zu Beginn der Galaxienbildung aufdecken. Beim Bau großer optischer Teleskope wollen wir von der Erfahrung profitieren, die wir bisher gewonnen haben und dabei - das ist sehr wichtig - die Vorteile der adaptiven Optik voll ausnutzen: die Möglichkeit, atmosphärische Turbulenzen bis zur Diffraktionsgrenze zu eliminieren. Auf dieser Grundlage macht es Sinn, das Projekt eines optischen Teleskops mit 100 Metern Spiegeldurchmesser zu diskutieren. Obwohl wir bei der adaptiven Optik erst am Anfang stehen, wissen wir im Prinzip, wie bei derart großen Geräten vorzugehen ist.
GW: Soviel zum optischen- und Millimeterwellenbereich des Spektrums. Im Röntgenbereich sind die neuen Satelliten Chandra und XMM von besonderem Interesse.
T: Diese kürzlich gestarteten Geräte liefern uns physikalische Informationen bei höheren Energien und sind komplementär zu den Projekten der ESO. Für Projekte im Röntgenbereich wird die Vereinigung von Röntgendaten aus verschiedenen Telekopen in einem Bild sehr wichtig sein.
GW: Punktquellenstudien und Himmelsdurchmusterungen werden nicht nur im Röntgen, sondern gleichzeitig auch in den anderen Spektralbereichen gemacht?
T: Wir möchten zunächst möglichst vollständige Himmelsdurchmusterungen im Röntgen-, optischen und infraroten Spektralbereich haben, wie sie optisch etwa mit dem Hubble-Weltraumteleskop und nun auch mit terrestrischen Teleskopen begonnen worden sind. Dann suchen wir uns mit den großen Geräten einzelne interessante Quellen heraus - das kann eine Galaxie in ihrer Entstehungsphase bei sehr hoher Rotverschiebung sein, oder man beobachtet nahegelegene, aber intrinsisch schwach leuchtende ((faint)) Objekte, die sich mit bisherigen Teleskopen nicht untersuchen ließen, wie extrasolare Planeten. Der große Traum ist es hier, mit optischer Interferometrie und Teleskopen der 100-Meter-Klasse solche Planetensysteme - von denen wir bereits wissen, dass sie existieren - zu sehen. Sind genügend viele Photonen, die vom Planenten herrühren, getrennt vom Stern nachweisbar, sollte das Spektrum analysierbar sein.
GW: Da das 100-Meter-Teleskop noch nicht existiert: Was ist derzeit die erfolgversprechendste Methode für den direkten Nachweis von extrasolaren Planeten?
T: Das ist sicherlich optische Interferometrie am VLTI. Für eine genaue Analyse werden wir jedoch das 100-Meter-Teleskop brauchen.
GW: Bei den Teleskopen im Weltraum wird das Next Generation Space Telescope, NGST, Nachfolger des Hubble-Teleskops. Was sind dessen Vor-und Nachteile gegenüber dem VLT? Interferometrie ist dort jedenfalls nicht möglich.
T: Dies wird ein 8-Meter-Teleskop im Weltraum sein, allerdings ein einzelnes. Es wird etwa 2010 gestartet werden. Im Infrarotbereich wird es überlegen sein, aber im optischen Teil des Spektrums wird das VLT wichtig bleiben. Wenn wir in einigen Jahren adaptive Optik am VLT einsetzen können und so den Einfluss atmosphärischer Störungen ausschalten - die Atmosphäre wird transparent - sind die Instrumente vergleichbar. In der Tat plant die NASA das NGST primär für den Infrarotbereich, weil das Ziel nicht Konkurrenz, sondern sinnvolle Zusammenarbeit ist.
GW: Wann planen Sie den Einsatz eines terrestrischen 100-Meter-Teleskops?
T: Nach unserem ((ESO)) Plan soll es um 2017 "First Light" geben. Das ist ein langer Weg, aber auch beim VLT lagen etwa 20 Jahre zwischen der ersten Idee und der Realisierung - und im Rückblick erscheint das als eine kurze Zeit.
GW: Was wird das Material für den 100-Meter-Spiegel sein?
T: Wir untersuchen verschiedene Materialien. Zur Zeit sind das konventionelle Materialien wie Zerodur. Ein solcher Spiegel würde aus etwa 2000 Segmenten bestehen. Pro Woche müssten also mehr als zwei derartige Spiegelsegmente hergestellt werden; das lässt sich mit der vorhandenen Technologie bewältigen. Die beim VLT erreichte Genauigkeit in der Spiegeloberfläche von 7 Nanometern ist auch für ein solches Projekt ausreichend.
GW: Wird dies ein reines ESO-Projekt sein?
T: Bei diesen Größenordnungen ist das nicht mehr möglich. Einer der Gründe, warum wir den "Club 100" gegründet haben, ist die Einleitung einer Zusammenarbeit mit anderen Partnern. Ich bin sicher, dass dies ein weltweites Projekt werden wird. Vor einigen Jahren hatte ich den 8-Meter-Club mit japanischer und amerikanischer Beteiligung gegründet, und wir haben die Vorteile eines solchen Informationsaustausches kennengelernt. Jetzt wollen wir nicht nur Informationen austauschen, sondern unsere Kräfte vereinen, um ein großes Ziel zu erreichen.
GW: Außerhalb des elektromagnetischen Spektrums wird es zum Nachweis von Gravitationswellen - die bei starker Beschleunigung kosmischer Massen erzeugt werden - sowohl neue terrestrische Projekte wie VIRGO als auch mit LISA ein Weltraum-Interferometer geben. Was ist der vielversprechendere Ansatz?
T: Wie bei der optischen Astronomie ergänzen sich auch hier terrestrische- und Weltraum-Projekte, man kann auf keines verzichten. Auf der Erde können insbesondere neue Technologien getestet werden, die dann auch im Weltraum eingesetzt werden. Sowohl mit VIRGO als auch mit dem LISA-Weltrauminterferometer werden wir in einen Empfindlichkeitsbereich vorstoßen, der einen Test unserer physikalischen Theorien auch dann ermöglicht, wenn noch keine Gravitationswellen nachgewiesen werden. Die bei Gravitationswellen-Detektoren eingesetzte Technologie ähnelt übrigens derjenigen, die wir bei optischer Interferometrie verwenden, und es gibt einen intensiven Informationsaustausch, obwohl die Ziele ganz unterschiedlich sind. Ich hoffe, dass wir bald Gravitationswellen und, durch gleichzeitige Beobachtungen elektromagnetischer Strahlung, auch die Quelle - beispielsweise eine Supernova-Explosion - registrieren werden. Als Astronom wäre ich fasziniert, und für die physikalische Theorie wäre es eine revolutionäre Bestätigung.
Bild 1: Das Next Generation Space Teleskop mit einem segmentierten 8-Meter-Spiegel wird um 2010 in vierfacher Erde-Mond Entfernung in Betrieb gehen und das Hubble-Weltraumteleskop ersetzen. Mit hoher Empfindlichkeit und guter Auflösung im nahen Infrarotbereich wird es erdgebundene optische Teleskope der 8-Meter-Klasse und darüber bei der Untersuchung sehr schwacher und weit entfernter Quellen ergänzen.
Bild 2: First-Light Aufnahme des europäischen Röntgensatelliten XMM von der 30 Doradus Region in der Großen Magellanschen Wolke.
Bild 3: Das Very Large Telescope (VLT) der ESO auf dem Mount Paranal in der Atacama-Wüste in Chile. Die vier großen 8,2-Meter-Spiegel werden in den nächsten Jahren zur größten optischen Interferometer-Anordnung der Welt verbunden werden.
Bild 4: Darstellung des Atacama Large Millimeter Array ALMA, eines der weltweit wichtigsten Astronomie-Projekte der kommenden Jahre. Die Anordnung aus 64 Millimeterwellen-Antennen mit jeweils 12 Metern Durchmesser wird in der Atacama-Wüste in Chile in 5000 Metern Höhe entstehen und den Spektralbereich zwischen Radio- und Infrarotstrahlung erschliessen. Es ist das erste wirklich globale Astronomie-Vorhaben, zu dessen Trägern die ESO, die amerikanische National Science Foundation und die deutsche Max-Planck Gesellschaft zählen.
Siehe Spektrum der Wissenschaft 6(2000)8 für den vollständigen bebilderten und redigierten Artikel, sowie eine (von der Zeitschriftenredaktion) gekürzte Fassung des Interviews mit M. Tarenghi.