Bruno
De la causa, principio e uno
Bruno, Giordano (Geburtsname Filippo Bruno. Auch: Il Nolano)
italienischer Philosoph, Astronom und Mathematiker
*1548 Nola bei Neapel
gest. 17.2.1600 Rom (öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt)
Cena de le Ceneri 1584
De la causa, principio e uno 1584
De l'infinito, universo e mondi 1584
Praelectiones geometricae 1591
Giordano Brunos Theorien nahmen wesentliche Elemente heutiger naturwissenschaftlicher Weltsicht vorweg. Dies betrifft vor allem seine Vorstellung eines unendlichen Universums und einer »Vielzahl von Welten«, in der er die traditionelle geozentrische Astronomie zurückwies und intuitiv über das heliozentrische Kopernikanische Weltbild hinausging, das an einem endlichen Universum mit einer Fixstern-Sphäre festhielt. Seine unorthodoxen Ideen vertrat er zu einer Zeit, als sowohl die katholische als auch die reformierten Kirchen rigide aristotelische und scholastische Prinzipien vertraten. Er war auch an »Magie« und Astrologie interessiert.
Bruno war Sohn eines Soldaten; er studierte in Neapel Geisteswissenschaften, Logik und Dialektik. Seit seinem Eintritt in den neapolitanischen Dominikanerorden 1565 trug er den Namen Giordano. Ein Konflikt mit dem Orden über seine Zurückweisung des Marienkultes blieb zunächst folgenlos, 1572 wurde er zum Priester geweiht. Vier Jahre später wurde er jedoch wegen Häresieverdacht angeklagt, floh nach Rom und reiste bald nach Oberitalien weiter, dann nach Genf. Dort verdiente er seinen Lebensunterhalt durch Korrekturlesen. Er trat zum Calvinismus über, veröffentlichte eine Streitschrift, die gegen einen der dortigen Professoren gerichtet war, und wurde verhaftet. Nachdem er die Stadt wieder verlassen durfte, wurde er Philosophieprofessor in Toulouse, hielt Vorlesungen in Paris über die »Attribute Gottes«, ging nach London, hielt Vorlesungen in Oxford, und verfasste 1584 in England seine berühmten sechs italienischen Dialoge, drei über die Theorie des Universums, und drei über Moral. Danach verursachte er in Paris einen akademischen Skandal, musste die Stadt verlassen und lehrte in Wittenberg, Prag, Helmstedt und Frankfurt, wo er 1591 ausgewiesen wurde. Er ging nach Italien zurück, wo ihn im Jahr darauf sein venezianischer Gastgeber bei der Inquisition anzeigte. Nach seiner Verhaftung folgten jahrelange Untersuchungen. 1597 wurde er angeklagt, 1599 weigerte er sich, seinen Thesen abzuschwören. Am 20.1.1600 ordnete Papst Clemens VIII. Brunos Verurteilung an; am 17.2.1600 wurde er in Rom öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Biografie: Frances A. Yates, » Giordano Bruno and the Hermetic Tradition«, 1964;
Giovanni Aquilecchia, »Giordano Bruno«, 1971.
Randspaltenzitat:
»Hier also nehmt diese Art Philosophie, in der man gewiss und wahrlich das findet, was man in den entgegengesetzten und von ihr verschiedenen vergeblich sucht. Und als erstes biete ich Euch mit äusserster Knappheit in fünf Dialogen alles, was zur realen Betrachtung der Ursache, des Prinzips und des Einen gehört« Zitat aus Brunos »Einleitungsschreiben« zum Werk »Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen«.
Kasten:
Brunos Leben und seine Verfolgung durch die katholische Inquisition
1562 Beginn des Studiums in Neapel
1565 Filippo Bruno tritt in den Dominikanerorden im Kloster San Domenico Maggiore in Neapel ein und nimmt den Ordensnamen Giordano an.
1566 Als Folge von Brunos Zurückweisung des Marienkultes und seiner Kritik an der Heiligenverehrung beginnt ein erster -kurzer- Konflikt mit dem Orden.
1572 Giordano wird zum Priester geweiht; er widmet sein erstes Werk »Die Arche Noah« dem Papst.
1576 Erneute Anklage durch den Ordensvorsteher wegen Verdachts der Häresie. Flucht nach Rom. Dort zunächst freundliche Aufnahme im Kloster Sisto de Lucca.
1577 Reise nach Noli in Ligurien und weiter nach Savona, Turin, Venedig, Padua, Brescia und Bergamo. In Noli Privatvorlesungen.
1578 Reisen nach Mailand und Genf. Dort verdient er seinen Lebensunterhalt durch Korrekturlesen in einer Druckerei. Übertritt zum Calvinismus.
1579 Nach Veröffentlichung einer Streitschrift in Genf Anklage und Haft.
1580 Professor für Philosophie in Toulouse.
1581 Vorlesungen über »die Attribute Gottes« in Paris. Diskussion mit König Heinrich III über »Gedächtniskunst«.
1583 Aufenthalt in London und beim franz. Botschafter de Castelnau und Vorlesungen an der Universität Oxford.
1584 Verfasst in nur einem Jahr seine sechs berühmten italienischen Dialogbände, in denen er seine Philosophie darlegt.
1585 Präsentiert in Paris 120 Thesen gegen die Anhänger des Aristoteles an der Universität, verursacht so einen akademischen Skandal und muss eilig abreisen. Kommt über Mainz und Wiesbaden nach Marburg, erhält dort aber keine Lehrerlaubnis. Wird dann an der Universität Wittenberg freundlich aufgenommen.
1587 Die religiösen Mehrheitsverhältnisse an der Universität Wittenberg wechseln; Bruno bereitet seine Abreise vor.
1588 Trifft Kaiser Rudolph II in Prag und widmet ihm seine »160 Thesen gegen die Mathematiker und Philosophen unserer Zeit«. Er erhält dafür 300 Taler, die ihm die Weiterreise ermöglichen.
1589 Professor an der Universität Helmstedt.
1590 Veröffentlichung von Schriften in Frankfurt; wohnt dort im Karmeliterkloster.
1591 Ausweisung aus Frankfurt. Vorlesungen in Zürich. Zur Buchmesse wieder in Frankfurt; dort wird ihm die Einladung des venezianischen Adligen Giovanni Mocenigo überbracht. Kehrt nach Italien zurück und lehrt in Padua. Den dort vakanten Mathematik-Lehrstuhl übernimmt jedoch 1592 Galilei.
1592 Unterrichtet seinen Gastgeber Mocenigo in Venedig in der »Gedächtniskunst«. Der sperrt ihn ein, als Bruno wieder nach Frankfurt will, und zeigt ihn unerwartet bei der venezianischen Inquisition an. Bruno wird verhaftet und der Prozess eröffnet. Anklagepunkte sind Sektierertum, Zweifel an der Trinität und der Inkarnation u.a.
1593 Die Republik Venedig beschliesst auf Anforderung der römischen Inquisition die Auslieferung Brunos nach Rom in das Gefängnis des »Heiligen Offiziums«. Jahrelange Beweisaufnahme.
1597 Anhörungen und Anklage vor der römischen Inquisition.
1599 Bruno soll seinen als ketzerisch angesehenen Thesen abschwören. Er will sich nur dem Urteil des Papstes unterwerfen.
1600 Papst Clemens VIII. ordnet die Verurteilung Brunos als Ketzer an, die am 8. Februar stattfindet. Am 17. Februar öffentliche Verbrennung Brunos auf dem Campo de' Fiori in Rom im Beisein zahlreicher Pilger.
[Quelle: Giordano-Bruno-Gesellschaft u.a. Red. Kürzungen sind möglich].
Werkartikel:
Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen
OT De la causa, principio e uno 1584
OA 1584 DE in Auszügen 1789 (Friedrich Jacobi);1872
Form Sachbuch Bereich Philosophie
In »Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen« legte Bruno in exemplarischer und systematischer Weise seine Naturphilosophie in fünf Dialogen samt einer Einleitungsschrift und Gedichten dar.
Entstehung: Die Dialoge »De la causa, principio et uno« entstanden wie »La cena de le Ceneri« und »De l'infinito, universo et mondi« - bei Giordano Brunos Aufenthalt in England, der für ihn eine vergleichsweise freie und glückliche Epoche seines turbulenten Lebens war. Er schrieb das Buch 1584 und publizierte es in einem fiktiven Druckort »Venedig«, um den Verkauf zu fördern: Literatur aus Italien war am englischen Hofe in Mode. In Wahrheit erschien das Buch bei John Charlewood in London.
Struktur: Das Werk beginnt mit einem ausführlichen Einleitungsschreiben, in dem sich Bruno an seinen Gastgeber in London, den französischen Botschafter bei der englischen Königin Elisabeth, Michel de Castelnau, wendet und ihm die Arbeit widmet. Er dankt ihm dabei auch für dessen Hilfe und Beschützung vor den ungerechten Angriffen, denen Bruno bereits damals ausgesetzt war. Dann fasst er selbst den Inhalt der fünf Dialoge in knapper Form Punkt für Punkt zusammen. Es folgen vier Gedichte: an die Prinzipien des Universums, an den eigenen Geist, an die Zeit, und von der Liebe. Die Gedichte stehen nicht in direktem Zusammenhang mit den nachfolgenden Dialogen, stellen aber in poetischer Verschlüsselung Grundmotive von Brunos Philosophie vor. Anschliessend beginnt der erste, zwischen den drei Personen Elitropio (»Der sich nach der Sonne wendet«, ein Anhänger von Brunos Philosophie), Filoteo (»Gottesfreund«, der Brunos Ideen vertritt) und Armesso geführte »Dialog«. Die weiteren Gespräche führen vier Personen in wechselnder Zusammensetzung, diesmal hat Teofilo (wie Filoteo ein Pseudonym für Philosophen) Brunos Rolle. Die dialogische Form ist für Bruno die Voraussetzung, um seine eigene geistige und historische Situation zu beschreiben: Sein kosmologisches Gedankengebäude steht der aristotelischen Physik entgegen (wenngleich Teile seines Denkens ohne sie nicht vorstellbar sind). Er folgt der kopernikanischen Reform, propagiert jedoch ein unendliches Universum, und eine unendliche Zahl von Welten in ihm - und beansprucht, die Erkenntnis des Kopernikus, dass die Erde nicht Zentrum des Universums ist, radikal vollendet zu haben. Er will der Tag sein, dem Kopernikus » ..wie die Morgenröte der aufgehenden Sonne voraufgegangen ist«.
Inhalt: In den Dialogen »De la causa« geht es primär um metaphysische Fragen: Wodurch wird das Universum (»Das Sein im Ganzen«, tutto essere) zu einer in sich beziehungsreichen Einheit? Was sind deren bewegende Kräfte? (Die eigentlichen kosmologischen Probleme behandelte Bruno vielmehr in »La Cena« und »De l'infinito«). Die Antworten, die Bruno im Verlaufe dieser Dialoge gibt, betreffen verschiedene Problemkreise: die Funktion und den Wirkungsbereich von »Prinzip« und »Ursache« - Gott ist zugleich oberstes Prinzip und erste Ursache -; Sein und Wirken der Weltseele als Bewegungs- und Lebensprinzip des Universums; den Begriff der Materie, an der die Gestalten des Ganzen sich zeigen; das Verhältnis von Materie und Form; das Sein des Einen als göttliches Prinzip und als schaffendes und einigendes Wirken, in dem auch die Wirkung der einzelnen Kräfte (Ursachen) gründet. Der Mensch ist dabei der Reflektierende, dessen Blick ins Universum reicht, aber selbst und im Hinblick auf seine »Stellung« im Universum so gut wie gar nicht in Erscheinung tritt.
Der erste Dialog ist eine Art Prolog, der sich nochmals auf das vorangehende Buch »Cena de le Ceneri« bezieht (»Das Aschermittwochsmahl«, mit der Bestätigung der heliozentrischen Theorie und der These eines unendlichen Universums), dieses verteidigt, und Übelstände in der Gelehrtenwelt anprangert. Im zweiten ist von der Form die Rede, die eher als Ursache denn als Prinzip zu verstehen ist. Im dritten Dialog geht Bruno zur Materie über, die eher im Sinne von Prinzip und Element als von Ursache verstanden wird; die Materie wird als etwas Vorzügliches und Göttliches aufgefasst. Obwohl es in Wahrheit eine absolute Materie gibt, kommt man mit unterschiedlichen philosophischen Methoden zu verschiedenen Begriffen von Materie. Während im dritten Dialog die Materie als Potenz betrachtet wird, untersucht Bruno sie im vierten als »Substrat«. Im letzten Dialog, der speziell das Eine behandelt, wird »das Fundament des Gebäudes der ganzen natürlichen und göttlichen Erkenntnis vollendet«.
Wirkung: Obwohl Brunos Ideen auch nach seinem gewaltsamen Tod vielfach unbegriffen blieben, hatten sie doch Einfluss auf die wissenschaftlichen und philosophischen Strömungen im darauffolgenden 17. Jahrhundert. Später (1789) richtete Friedrich Jacobi die Augen der Zeitgenossen auf Brunos Schriften und lobte »Brunos Pantheismus im weitesten Verstande«; Schelling (1802) entwickelte Brunos Denkansätze in seiner Identitätsphilosophie weiter. Auch Goethe hatte eine deutliche Affinität zu Bruno. Dessen intuitive kosmologische Vorstellungen antizipierten einige fundamentale Aspekte heutiger naturwissenschaftlicher Konzeptionen des Universums.
G.W.
Siehe "Das Buch der 1000 Bücher" (2002; Harenberg-Verlag) für den vollständigen illustrierten Artikel.