Einstein

Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie

Einstein, Albert

Physiker, *14.3.1879 Ulm

gest.18.4.1955 Princeton/New Jersey, USA

 Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt 1905

 Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen 1905

 Zur Elektrodynamik bewegter Körper 1905

 Die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie 1916

 Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie 1916

Aus Einsteins historischen Leistungen ragen zunächst vier wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahre 1905 hinaus. Damals war er »technischer Experte dritter Klasse« am Berner Patentamt. In seiner »nebenberuflichen« wissenschaftlichen Arbeit entwickelte er die spezielle Relativitätstheorie, die Theorie des Fotoeffektes und die Theorie der Brownschen Bewegung. Elf Jahre später vollendete er die allgemeine Relativitätstheorie, mit der er eine neue Grundlage für die Gravitationstheorie - und die Kosmologie - schuf. In dem allgemeinverständlichen Buch »Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie« vermittelte er 1916 Teile seiner Erkenntnisse über Relativität der Öffentlichkeit; seine historische Wirkung entfaltete er jedoch primär durch die wissenschaftlichen Arbeiten.

Die Schulzeit in München beendete Einstein 1895 in Deutschland ohne Abschluss, um seiner Familie nach Pavia zu folgen. Nach Ende des Studiums an der ETH Zürich wurde er 1901 Schweizer Staatsbürger, arbeitete dann als Lehrer und seit 1902 am Patentamt in Bern. Seine Dissertation vollendete er 1905. Er wurde 1909 ausserordentlicher Professor in Zürich, dann Professor in Prag, Zürich, Berlin (1913) - dort erschien auch seine erste Arbeit über Gravitationswellen (1916) - und 1917 übernahm er die Leitung des KWI für Physik. Nach der exp. Bestätigung seiner allgemeinen Relativitätstheorie 1919 erhielt er 1921 während einer Reise nach Japan den Physiknobelpreis für seine Theorie des Fotoeffekts. Ende 1932 reiste er in die USA und kehrte nie wieder nach Deutschland zurück, trat aus der Preussischen und Bayerischen Akademie aus, wies 1939 Präsident Roosevelt auf die militärische Bedeutung der Atomenergie hin (worauf der das Manhattan-Projekt startete), wurde 1940 amerikanischer Staatsbürger und lebte in Princeton, wo er 1954 zum letzten Mal Niels Bohr traf und 1955 starb.

Biografie: Banesh Hoffman, Helen Dukas,»Albert Einstein: Creator and Rebel«, 1972;

Abraham Pais,»Subtle is the Lord«, 1982 (dt. 1986).

Randspaltenzitate:

»Einsteins Arbeit über Relativität übersteigt in ihrer Kühnheit alles, was von der spekulativen Wissenschaft und auch von der Epistemologie bisher erreicht werden konnte; im Vergleich dazu ist die Nicht-Euklidische Geometrie ein Kinderspiel«. Max Planck 1910 in einem Gutachten über Einstein anlässlich dessen Bewerbung in Prag.

»Zusammenfassend kann man sagen, dass es unter den großen Problemen, an denen die moderne Physik so reich ist, kaum eines gibt, zu dem nicht Einstein in bemerkenswerter Weise Stellung genommen hätte. Dass er in seinen Spekulationen gelegentlich auch einmal über das Ziel hinausgeschossen haben mag, wie z.B. in seiner Hypothese der Lichtquanten, wird man ihm nicht allzu schwer anrechnen dürfen; denn ohne einmal ein Risiko zu wagen, lässt sich auch in der exaktesten Naturwissenschaft keinerlei wirkliche Neuerung einführen«. Schlusspassage der Empfehlungen von Planck, Nernst, Rubens und Warburg 1913, als sie Einstein für die Mitgliedschaft in der Preussischen Akademie vorschlugen. Die »Spekulation« über Lichtquanten erwies sich als richtig; 1921 erhielt er den Nobelpreis »..besonders für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts«.

Kasten: Bestätigung der allgemeinen Relativitätstheorie durch die Erfahrung

Die Lichtablenkung durch Gravitationsfelder

Nach der allgemeinen Relativitätstheorie wird ein Lichtstrahl, der z.B. von einem Stern ausgeht, durch ein starkes Gravitationsfeld gekrümmt. Die Bahnkrümmung ähnelt der eines durch das Gravitationsfeld geschleuderten Körpers. Demnach wird ein Lichtstrahl, der einen Himmelskörper (beispielsweise die Sonne) passiert, zu diesem hin abgelenkt. Die Ablenkung wird nach der Theorie zur Hälfte durch das »Newtonsche« Anziehungsfeld der Sonne, zur Hälfte durch die von der Sonne hervorgerufene geometrische Modifikation des Raumes (»Krümmung«) hervorgerufen. Zwei Sonnenfinsternis-Expeditionen der Astronomical Royal Society bestätigten am 29.5.1919 bei mehreren Sternen die vorausgesagten Werte der Lichtablenkung. Seit 1969 wurde die Theorie durch radiointerferometrische Messungen an Quasaren wesentlich genauer getestet.

Die Perihelbewegung des Merkur

Die Planeten laufen entsprechend Keplers erstem Gesetz auf ellipsenförmigen Bahnen um die Sonne, die im Brennpunkt steht. Die Ellipsen rotieren aufgrund der Newtonschen Störeffekte durch die anderen Planeten in der Bahnebene. Das Perihel der Merkurbahn sollte sich demnach um 531 Bogensekunden pro Jahrhundert drehen. Die Messung ergibt jedoch einen um 43,11 Bogensekunden größeren Wert, den die allgemeine Relativitätstheorie erklärt. [Nicht vollständig geklärt ist dabei jedoch die genaue Rolle der Abplattung der Sonne, die ebenfalls eine Periheldrehung von bis zu 3 Bogensekunden pro Jahrhundert verursachen kann].

Die Rotverschiebung von Spektrallinien im Gravitationsfeld

Emittiert ein Atom an der Oberfläche eines Himmelskörpers eine Spektrallinie, so ist deren Frequenz etwas kleiner (die Atomuhr geht langsamer) als die eines Atoms des gleichen Elements im freien Weltraum: Sie hängt nach der allgemeinen Relativitätstheorie vom Potential des Gravitationsfeldes ab, in dem sich das Atom befindet. An der Oberfläche der Sonne beträgt die erwartete Rotverschiebung etwa 2 Millionstel der Wellenlänge. Dies ermöglicht einen Test der gekrümmten Raum-Zeit. Versuche mit der gelben Emissionslinie von Natrium im Sonnenspektrum erbrachten zwischen 1927 und 1960 zunächst keine Übereinstimmung mit dem vorhergesagten Wert; das lag jedoch eher an mangelnden Kenntnissen der Sonnenoberfläche. Spätere Messungen erbrachten eine auf fünf Prozent genaue Übereinstimmung mit der Voraussage. Terrestrische Experimente mit Atomuhren in Flugzeugen bestätigten den Effekt; hier kommt jedoch die Zeitdilatation der speziellen Relativitätstheorie hinzu. Laborexperimente mit Gammastrahlung von Eisen, die den Mößbauer-Effekt ausnutzten, erreichten eine Genauigkeit von ein Prozent, Raketenexperimente mit Wasserstoffmaser- Uhren sieben Tausendstel eines Prozents.

Werkartikel:

Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie

OA 1916

Form Sachbuch Bereich Physik

In seinem allgemeinverständlichen Buch über spezielle und allgemeine Relativitätstheorie stellte Einstein die Hauptgedanken beider Theorien möglichst deutlich und einfach in der Reihenfolge und den Zusammenhängen vor, wie sie tatsächlich entstanden waren.

Entstehung: Anfang 1916 hatte Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie vollendet. Sein Kollege Hendrik Lorentz schrieb an Paul Ehrenfest: »Ich habe Einstein geschrieben, dass nun, da er den Gipfel seiner Theorie erreicht hat, eine Darstellung ihrer Prinzipien in einer möglichst einfachen Form besonders wichtig wäre..« Zwei Monate später hatte Einstein einen ersten Überblick verfasst, den er bis Dezember 1916 zu seinem »gemeinverständlichen« Werk ausbaute.

Struktur: In 17 Paragraphen gibt Einstein zunächst einen Überblick über seine spezielle Relativitätstheorie, es folgen 12 Paragraphen über die allgemeine Relativitätstheorie, drei zu »Betrachtungen über die Welt als Ganzes« (insbesondere über die Struktur des Raumes; dieser Abschnitt war in der ersten Auflage 1916 noch nicht vorhanden und kam erst später dazu). Den Schluss bildet ein Anhang, in dem u.a. eine einfache Ableitung der - für die spezielle Relativitätstheorie grundlegende - Lorentz-Transformation gegeben wird, Minkowskis vierdimensionale Raum-Zeit-Welt erläutert wird und die für die Akzeptanz der Theorie ganz entscheidende Bestätigung der allgemeinen Relativität durch die Erfahrung beschrieben wird (siehe Kasten).

Inhalt: Die Relativitätstheorien eröffneten völlig neue Wege der Beschreibung von Raum, Zeit und Gravitation. Sie sind ein wesentlicher Schritt über die Newtonsche Physik hinaus, die jedoch in bestimmten Grenzen näherungsweise gültig bleibt. Einstein erklärt zunächst die Grundbegriffe dieser klassischen Physik - etwa, wie man Geschwindigkeiten addiert. Bei sehr hohen Geschwindigkeiten in der Nähe derjenigen des Lichtes (die im Vakuum konstant ist und nicht überschritten werden kann) gelten jedoch andere Gesetze, die durch Lorentz-Transformation und die spezielle Relativitätstheorie präzise beschrieben werden. Die Begriffe der »Gleichzeitigkeit« und der »räumlichen Entfernung« werden dadurch »relativ«; Einstein erläutert das an einfachen Beispielen (sind zwei Blitzschläge, die in bezug auf einen Bahndamm gleichzeitig sind, das auch in bezug auf einen fahrenden Zug? Nein! Die Abweichungen sind aber gering, da die Zugeschwindigkeit klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit ist). Die Effekte werden z.B. in der Teilchenphysik bedeutend, wo auch die Verkürzung von Längen schnell bewegter Teilchen und die Dehnung der Zeit in bewegten Systemen reale - messbare - Bedeutung haben. Einstein betont die Äquivalenz von Masse und Energie (»E=mc^2«): die zugehörigen beiden Erhaltungssätze verschmelzen zu einem. Mit der speziellen Relativitätstheorie wurde auch die »Ätheridee« überflüssig, da es kein bevorzugtes Koordinatensystem gibt - was der Versuch von Michelson und Morley glänzend bewies.

Nach dem speziellen kommt das allgemeine Relativitätsprinzip, wonach alle Bezugskörper für die Naturbeschreibung gleichwertig sind - nicht nur die gleichförmig bewegten. Es folgt daraus die Gleichheit von träger und schwerer Masse. Aus diesem Prinzip leitet Einstein Eigenschaften von Gravitationsfeldern ab, gewinnt schliesslich das allgemeine Gesetz der Gravitation und verallgemeinert so das Newtonsche Gesetz. Dies ist als Spezialfall schwacher Felder und kleiner Geschwindigkeiten in den Gleichungen der allgemeinen Relativität enthalten, während Newton es postulieren musste. Das raum-zeitliche Kontinuum ist in der allgemeinen Theorie nicht mehr euklidisch wie in der speziellen Theorie, und auch die Licht- geschwindigkeit hängt von den Koordinaten ab. Lichtstrahlen werden im Gravitationsfeld gekrümmt: ein Resultat, das bei den Sonnenfinsternis-Expeditionen 1919 bestätigt wurde und - zusammen mit der genauen Berechnung der Merkur-Periheldrehung - für den Durchbruch der allgemeinen Relativitätstheorie sorgte. Später wurde auch die Spektralverschiebung in starken Gravitationsfeldern nachgewiesen (siehe Kasten).

Wirkung: Diese knappe und relativ gut verständliche Darstellung der speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie mit nur wenigen Formeln durch den Autor dieser Theorien selbst erreichte viele Leser und war Vorläufer zahlreicher populärwissenschaftlicher Darstellungen anderer Autoren. Einstein selbst meinte, dass das Buch eher »gemeinunverständlich« genannt werden sollte. Die Nachfrage nach dem Werk stieg sprunghaft an, als die Resultate der Sonnenfinsternis- expeditionen 1919 mit den Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie übereinstimmten und großes Aufsehen erregten. Die zehnte Auflage erschien 1920 gemeinsam mit der englischen Übersetzung, die 22. Auflage im Jahr 1972. Seine Hauptwirkung erreichte Einstein jedoch als Autor der zugrundeliegenden fachlichen Arbeiten, die der Beginn einer neuen Epoche der Physik waren. Heute sind z.B. globale Navigationssatelliten- und Positionierungssysteme (wie GPS) ohne präzise Berücksichtigung der relativistischen Effekte undenkbar geworden.

G.W.

Siehe "Das Buch der 1000 Bücher" (2002; Harenberg-Verlag) für den vollständigen illustrierten Artikel.

return