Galilei
Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo
| Galilei, Galileo
italienischer Mathematiker, Astronom und Physiker
*15.2.1564 Pisa
gest. 8.1.1642 Arcetri bei Florenz
Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo, tolemaico e copernicano 1632
Discorsi e dimostrazioni mathematiche intorno a due nuove scienze attenenti alla meccanica
(Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige, die Mechanik und die Fallgesetze betreffend) 1638
Der Renaissance-Wissenschaftler Galileo Galilei - Sohn des Musikers Vincenzo Galilei - wurde zum Begründer der modernen Mechanik und der experimentellen Methode in den Naturwissenschaften. Er ging in eine Klosterschule in der Nähe von Florenz, studierte anschliessend Medizin an der Universität Pisa und Mathematik mit einem Privatlehrer. Im Alter von 25 Jahren wurde er Mathematik-Dozent an der Universität Pisa, später Professor an der Universität Padua auf einem Lehrstuhl, für den sich auch der sieben Jahre jüngere Johannes Kepler interessiert hatte.
Galileo sprach sich für die Kopernikanische Lehre aus, dass die Planeten sich um die Sonne bewegen, und geriet darüber in Konflikt mit der katholischen Kirche. Ein wesentlicher Teil seines Werkes betrifft die Mechanik; hier setzte er als Erster mathematische Methoden ein. Er schlug den Gebrauch von Uhrpendeln vor (was Christiaan Huygens 1656 in die Tat umsetzte) und auch die für alle fallenden Körper gleiche Gravitations- beschleunigung. Die entsprechenden Versuche machte er überwiegend an schiefen Ebenen, seine angeblichen Fallversuche am Turm von Pisa gehören ins Reich der Legende. Im Frühjahr 1609 erreichte ihn aus Holland die Nachricht von der Erfindung des Teleskops, und er baute eigene Exemplare, die er als erster für astronomische Beobachtungen einsetzen konnte. Galileo benutzte sie zur Entdeckung oder Untersuchung von Mondkratern, Sonnenflecken, Phasen der Venus und der Jupitermonde Io, Europa, Ganymed und Callisto (1610). Auch gelang es ihm zu zeigen, dass die Milchstraße aus Sternen besteht. Vor der Inquisition widerrief er 1633 seinen Einsatz für die Kopernikanische Lehre. Die letzten acht Jahre seines Lebens stand er unter Hausarrest in Arcetri. Dort schrieb er mit den »Diskursen über zwei neue Wissenschaften« das Werk, auf dem sein Ruhm als Wissenschaftler ruht.
Biografie: Stillman Drake, »Galileo at work: His scientific biography«, 1978.
Klaus Mainzer, »Galileo Galilei - Naturphilosoph und Begründer der neuzeitlichen Physik«, 1992.
Randspaltenzitate:
»Galileos Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme ist eine Fundgrube für jeden, der sich für die Geistesgeschichte des Westens und für deren Rückwirkung auf die ökonomische und politische Entwicklung interessiert. Da offenbart sich ein Mann, der den leidenschaftlichen Willen, die Intelligenz und den Mut hat, sich als Vertreter des vernünftigen Denkens der Schar derjenigen entgegenzustellen, die auf die Unwissenheit des Volkes und die Indolenz der Lehrenden in Priester- und Professoren-Gewande sich stützend, ihre Machtpositionen einnehmen und verteidigen.«
Albert Einstein im Vorwort zur amerikanischen Ausgabe des Dialogo 1953.
»Auf derartige Übelstände stoßen wir aber nicht, wenn wir die Erde sich bewegen lassen, einen so kleinen, unbeträchtlichen Körper im Vergleich zum gesamten Weltall, welcher eben darum diesem keinerlei Gewalt anzutun vermag«
Salviati als Anwalt der kopernikanischen Lehre am (im) zweiten Tag des Dialogs.
»Die Frage ist nur, wie die Erde zu bewegen ist, ohne dass tausend Übelstände sich herausstellten.«
Simplicio darauf als Vertreter der aristotelischen und ptolemäischen Lehre.
[weitere interessante Stellen:
»Daraus könnt Ihr entnehmen, wie groß die Kraft der Wahrheit ist; während Ihr versucht, sie zu Fall zu bringen, steht sie gerade durch Eure Angriffe um so fester und unbesiegbarer da.«
Salviati zu Simplicio nach Widerlegung der Vermutung, dass Körper auf der Oberfläche der sich drehenden Erde fortgeschleudert würden.
»Hört also auf das große, neue Wunder. Der erste Entdecker der Sonnenflecken, wie auch aller anderen himmlischen Neuartigkeiten, war unser linceischer Akademiker, und er entdeckte sie anno 1610..« Salviati/Galileo im »Dialog«. Der »linceische Akademiker« ist er selber. Sonnenflecken waren jedoch schon bekannt; Galileo untersuchte sie 1610 mit seinem Fernrohr.
»Wie jeder Planet sich in seinen speziellen Umdrehungen lenkt und wie die Anordnung seines Kreises im einzelnen gefügt ist, was gewöhnlich die Theorie der Planeten genannt wird, können wir noch nicht sicher feststellen. Mars, der unseren neueren Astronomen bereits so viel zu schaffen gemacht hat, ist dafür ein Beweis.«
Galileo in einem der wenigen Hinweise auf die Schwierigkeiten des kopernikanischen Systems im »Dialog«. Allerdings lag die Bestimmung der elliptischen Planetenbahnen durch Kepler - die Galilei nicht zur Kenntnis nahm, weil er an Kreise glaubte - zu diesem Zeitpunkt schon mehr als 20 Jahre zurück.]
Kasten: Galileo und die Inquisition
Galileos Bewertung von ptolemäischem und kopernikanischem Weltsystem im »Dialog«:
»Bei Ptolemäus finden sich die Übel, bei Kopernikus ihre Heilung.«
Aus der Entschliessung zum Urteil des Inquisitionsgerichts über Galileo vom 16. Juni 1633:
».. Sanctissimus ordnete an, der genannte Galilei sei über seine Absicht ((beim Verfassen des Dialogs)) unter Androhung der Folter zu befragen; und wenn er standhaft bliebe, sei er aufzufordern, vor einer Plenarversammlung der Kongregation des Heiligen Offiziums abzuschwören, und zu Gefängnis nach Gutdünken der heiligen Kongregation zu verurteilen, und es sei ihm zu befehlen, inskünftig, in welcher Form auch immer, in Wort und Schrift, die Beweglichkeit der Erde und die Unbeweglichkeit der Sonne nicht zu behandeln; widrigenfalls er die Strafe der Rückfälligen erleiden werde. Das »Dialog des Galileo Galilei, Linceo« genannte Buch sei zu verbieten. Überdies befahl er, damit dies allen bekannt werde, Abschriften des Urteils an sämtliche apostolische Nuntien, insbesondere aber an den Inquisitor in Florenz zu senden, der dieses Urteil in voller Versammlung und in Gegenwart der Mehrzahl derer, welche die mathematische Kunst ausüben, verlesen wird.«
[Aus Galileos Antworten bei den darauffolgenden Befragungen:
»..ich behauptete, wie ich immer noch behaupte, die Ansicht des Ptolemäus sei völlig wahr und unbestreitbar, das heisst, die Unbeweglichkeit der Erde.«
»Ich vertrete und vertrat die Ansicht des Kopernikus nicht, seitdem mir der Befehl, von ihr abzulassen, mitgeteilt wurde; im übrigen bin ich hier in Eurer Hand - tut mit mir, was Euch beliebt.«
Bei der letzten Befragung, unter Androhung der Folter aufgefordert, die Wahrheit zu sagen:
»Ich bin hier, um zu gehorchen, und habe diese Ansicht nicht vertreten, seit die Entscheidung gefällt wurde, wie ich bereits feststellte.« ]
| Werkartikel:
Dialog über die beiden hautsächlichsten Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische
OT Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo, tolemaico e copernicano
OA 1632 D 1891 ((Übersetzung von E. Strauss. Evtl. gibt es frühere Übersetzungen. ))
Form Sachbuch Bereich Philosophie und Astronomie
Galileos »Dialogo« wurde nach seinem Erscheinen (und dem Verbot durch die Inquisition im darauffolgenden Jahr) in ganz Europa als literarisches und philosophisches Meisterwerk gepriesen. Das Buch wurde für Laien in italienischer Sprache geschrieben, die astronomischen Modelle sind teilweise sehr vereinfacht dargestellt. Anstelle einer nüchternen Präsentation wählte Galileo die platonische Dialogform. Im unverfänglichen Titel erschienen ptolemäische und kopernikanische Lehre gleichrangig; ausserdem hatte die päpstliche Zensur die Schlussfolgerung diktiert, dass der Mensch nicht vorgeben könne, die Beschaffenheit der Welt zu kennen, weil dies Gottes Allmacht einschränken würde. Die kopernikanische Lehre dürfe »weder verteidigt noch behauptet« werden. Dennoch war durch die Kraft der im Buch vorgetragenen Argumente für die kopernikanische Lehre im Grunde klar, auf welcher Seite Galileo stand, und nach entsprechenden Hinweisen der Jesuiten an Papst Urban VIII wurde er ein Jahr nach Erscheinen des Buches von der Inquisition zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die der Papst in lebenslangen Hausarrest umwandelte, nachdem Galileo der kopernikanischen Sichtweise formell abgeschworen hatte.
Entstehung: Seit 1610 war Galileo Philosoph und Mathematiker beim Großherzog von Toskana. Er arbeitete in seinem Haus in der Nähe von Florenz. Beim einem Rombesuch 1624 erhielt er die Erlaubnis des Papstes, ein Buch über die »Weltsysteme« zu verfassen und das ptolemäische sowie das kopernikanische System zu diskutieren, obwohl die Kirche 1616 das Buch von Kopernikus verboten und seine Lehre für falsch erklärt hatte. Galilei wurden dementsprechend für sein Projekt schriftliche Auflagen von der päpstlichen Zensur gemacht. (Sein ursprünglicher Titelvorschlag war offenbar »Dialog über Ebbe und Flut des Meeres, in dem die zwei Hauptsysteme .. behandelt werden«). Das Werk erschien nach langjährigen Arbeiten 1632, zunächst mit Genehmigung der Zensoren.
Struktur: Nach einer Widmung an den Großherzog folgt eine Vorrede, die - wie auch Textabschnitte im Buch - von Galilei entsprechend den Anforderungen des Zensors geändert worden waren. Den anschliessenden Dialog führen drei Personen in vier Tagen. Galileos Gelehrten-Sicht vertritt Salviati, der Anwalt der kopernikanischen Lehre ist. Dabei assistiert als vermeintlich Unparteiischer Sagredo. Der einfältige Simplicio soll die Lehren von Aristoteles und Ptolemäus verteidigen, agiert dabei aber recht unbeholfen. Am Ende des Buches spricht er die von Papst Urba n geforderte Erklärung »..dass es eine unerlaubte Kühnheit wäre, die göttliche Macht und Weisheit begrenzen und einengen zu wollen in die Schranken einer einzelnen menschlichen Laune«.
Inhalt: Der erste Tag ist - in allgemeiner und literarisch ansprechender Weise - der aristotelischen und platonischen Weltsicht samt deren Widerlegung gewidmet. So greift Sagredo Platons Dualismus von himmlischer Vollkommenheit und irdischer Veränderlichkeit an; seiner Meinung nach ist die Erde gerade wegen der verschiedenen Änderungen und Wandlungen ganz »vortrefflich und bewundernswert«.
Am zweiten Tag beginnt die Auseindersetzung um die Lehre des Kopernikus: »..dass wir die Frage prüfen, ob die Erde für unbeweglich zu halten, .., oder für beweglich«. Zunächst werden die seinerzeit gängigen Vorbehalte gegen jede Bewegung der Erde (Rotation um die eigene Achse, und um die Sonne) durch physikalisch begründete Argumente entkräftet. Salviati gibt sieben allgemeine Bestätigungen der täglichen Bewegung der Erde, dann werden zahlreiche Details diskutiert. So müssten fallende Körper nicht »hinter einer sich drehenden Erde zurückbleiben«, da sie deren Impuls teilen. Einen Beweis, dass die Erde rotiert, bleibt Galileo dennoch schuldig [, und auch die physikalische Argumentation ist aus heutiger Sicht nicht immer fehlerfrei].
Am dritten Tag werden astronomische Argumente für oder gegen Kopernikus untersucht. Galileos Entdeckung der Jupitermonde mit ihren Umläufen um den Planeten, und der Venusphasen sprechen zweifellos für das kopernikanische System. Gesteht man der Erde die jährliche Bewegung zu, muss man ihr auch die tägliche beilegen. [Dann wird weiter gesagt, die große Zahl der Epizyklen zur Beschreibung der Planetenbewegung spreche gegen das ptolemäische System. Dabei verschweigt Galileo aber, dass Kopernikus auch in seinem heliozentrischen System als Folge der Exzentrizität der Planetenbahnen Epizyklen benötigt, die tatsächlichen Probleme der damaligen Astronomie - die Kepler bereits großenteils in bahnbrechender Weise gelöst hatte - werden insofern nicht wirklich behandelt.] Es werden auch Gründe für die Hypothese [von William Gilbert, 1600] diskutiert, dass die Erde ein Magnet sei.
Am vierten Tag breitet Galileo seine Theorie der Gezeiten aus - die ursprünglich auch im Titel stehen sollte - und erklärt deren tägliche, monatliche und jährliche Variationen. Als Ursache der Gezeiten sieht er das ungleichmäßige Zusammenspiel von täglicher und jährlicher Rotation der Erde. Keplers korrekten Ansatz zur Darstellung der Gezeiten als Folge der Anziehungskraft des Mondes [die im Altertum offenbar schon der Mathematiker Seleukus vertreten hatte] verwirft er, die Gravitation hält er für eine okkulte Eigenschaft. [Auch andere Irrtümer zeigen, dass Galileo - anders als zur Zeit seiner großen astronomischen Entdeckungen 1610 - beim Verfassen des Dialogs nicht in allen Fällen auf der Höhe des wissenschaftlichen Kenntnisstandes der damaligen Zeit war. Insofern ist der Dialog eher verdeckte Propaganda für die kopernikanische Lehre ohne allzu große Rücksicht auf Details.]
Wirkung: Das Werk fand trotz des Verbotes rasche Verbreitung in ganz Europa. [Erst 1835 wurde es vom Index Librorum Prohibitorum gestrichen]. Ein Exemplar wurde nach Prozessende aus Italien zu Keplers Freund Bernegger nach Straßburg geschmuggelt, zwei Jahre später erschien die lateinische Übersetzung. Sie trug entscheidend zum Durchbruch der kopernikanischen Lehre und der Trennung von Wissenschaft und kirchlicher Doktrin bei. Auch Galileos Widerruf vor der Inquisition hinsichtlich der Weltsysteme konnte den Siegeszug der neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden - insbesondere der Verbindung von Experimenten und Berechnungen, von Physik und Mathematik - nicht nachhaltig verzögern.
G.W.
Siehe "Das Buch der 1000 Bücher" (2002; Harenberg-Verlag) für den redigierten und illustrierten Artikel.