Kepler
Astronomia nova
Kepler, Johannes
deutscher Astronom
*27.12.1571 Weil der Stadt
gest. 15.11.1630 Regensburg
Astronomia Nova 1609
Harmonice Mundi 1619
Epitome Astronomiae Copernicanae 1621
Tabulae Rudolphinae 1627
Der Renaissance-Astronom und Astrologe Johannes Kepler ist vor allem für die Entdeckung der später nach ihm benannten drei Prinzipien der Planetenbewegung bekannt. Insbesondere fand er heraus, dass die Erde und die anderen Planeten elliptische Bahnen haben, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. Seine astronomischen Vorstellungen ermöglichten den Schritt von überkommenen geometrischen Beschreibungen der Himmelsmechanik hin zur modernen »dynamischen« Astronomie, in die er das Konzept einer - von der Sonne ausgehenden - Kraft einbrachte. Er war ausserdem einer der Begründer der modernen Optik, gab die erste korrekte Erklärung des menschlichen Sehens, behandelte die Grundlagen des astronomischen Fernrohrs und entwarf spezielle Teleskope.
Nach seinem Astronomiestudium an der Universität Tübingen bei Michael Mästlin - einem Anhänger der kopernikanischen Weltanschauung - schrieb Kepler eine wissenschaftliche Arbeit (»Mysterium Cosmographicum«), die von Galileo und Tycho Brahe registriert wurde. Als er anschliessend Mathematik und Rhetorik an der Stiftsschule in Graz unterrichtete, lud ihn Tycho ein, an seinem Observatorium in der Nähe von Prag zu arbeiten. Im folgenden Jahr (1601) starb Tycho, und Kepler wurde (bis 1612) sein Nachfolger als kaiserl. Mathematiker und Hofastronom. Auf der Grundlage von Tychos ausserordentlich genauer astronomischer Datensammlung konnte Kepler seine drei grundlegenden Gesetze der Planetenbewegung ableiten. Die ersten beiden veröffentlichte er 1609 in »Astronomia Nova«, 1619 in »Harmonice Mundi« das dritte. Seine Gesetze versetzten Isaac Newton später in die Lage, eine Gravitationstheorie zu formulieren. Von 1612 bis 1626 war Kepler Prof. in Linz. In den Tabulae Rudolphinae publizierte er 1627 Tabellen zur Berechnung von Planeten- positionen, Logarithmen und einen Katalog von 1005 Sternen, der Tychos Beobachtungen von 777 Sternen erweiterte.
Biografie: Max Kaspar, »Kepler«, 1958;
Arthur Koestler, »The Watershed: A Biography of Johannes Kepler«, 1960.
Randspaltenzitate:
»Worauf es mir ankommt, ist nicht allein, dem Leser mitzuteilen, was ich zu sagen habe, sondern vor allem ihm die Überlegungen, Ausflüchte und glücklichen Zufälle zu zeigen, die mich zu meinen Entdeckungen führten. Wenn Christoph Kolumbus, Magalhaes ((Magellan)) und die Portugiesen berichten, wie sie auf ihren Reisen in die Irre gingen, vergeben wir ihnen nicht bloß, sondern würden die Erzählung mit Bedauern missen, da das ganze großartige Schauspiel ohne sie verloren wäre. Daher wird man es mir nicht verargen, wenn ich, getrieben von gleicher Liebe zum Leser, das gleiche Verfahren einschlage.«
Kepler im Vorwort zur »Neuen Astronomie«.
»Er (Mars) ist der gewaltige Sieger über menschliche Wissbegier, der aller Kunstgriffe der Astronomen spottete, ihre Instrumente zuschanden machte und ihre Scharen überwand; auf diese Weise bewahrte er das Geheimnis seiner Ordnung sicher in allen vergangenen Jahrhunderten und setzte seinen Lauf in uneingeschränkter Freiheit fort. Weswegen der berühmteste Lateiner, der Priester der Natur, Plinius, ihn ausdrücklich anklagte: Mars ist ein Stern, der der Beobachtung trotzt.«
Kepler in der Widmung der »Neuen Astronomie« an Kaiser Rudolph II.
» Wenn Du ((lieber Leser)) gelangweilt bist von dieser mühsamen Art der Berechnung, dann habe Mitleid mit mir, der diese zumindest siebzigmal wiederholen musste, mit großem Verlust an Zeit; Du wirst auch nicht überrascht sein, dass jetzt beinahe fünf Jahre vergangen sind, seit ich mich mit Mars beschäftige..«
Kepler im 16ten Kapitel der »Astronomia Nova«
Kasten:
Keplers Gesetze der Planetenbewegung
Das erste Gesetz
Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht.
Das zweite Gesetz: der Flächensatz
Die Verbindungslinie Sonne-Planet überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.
Das dritte Gesetz
Die Quadrate der Umlaufzeiten der Planeten verhalten sich wie die dritten Potenzen ihrer großen Halbachsen. (Eine große Halbachse ist die Hälfte des größten Durchmessers der Bahnellipse.
Kepler fand diese Gesetze aufgrund der vorliegenden genauen Beobachtungen Tycho Brahes. Erst Newton konnte sie aus seinen Kraftgesetzen ableiten; damit gelang ihm die endgültige Bestätigung seiner Dynamik.
Werkartikel:
Neue Astronomie
OT: Astronomia Nova Aitiologetos, Sev Physica Coelestis, tradita commentariis De Motibvs Stellae Martis, ex observationibvs g.v. Tychonis Brahe.
OA 1609 D 1929 (Übersetzung von Max Caspar)
Form Sachbuch Bereich Astronomie
Keplers »Astronomia Nova« gehört zusammen mit Kopernicus' »De revolutionibus« und Newtons »Principia« zu den wichtigsten Büchern in der neuzeitlichen Entwicklung der Astronomie und der Naturwissenschaften. Das Werk enthält - ausgehend von Keplers Untersuchungen der Marsbahn - die erste Erkenntnis der elliptischen Planetenbahnen und des Flächensatzes. Es stellt zwar ein technisches Traktat für Spezialisten der Himmelsmechanik dar und unterscheidet sich insofern grundlegend von Galileos »Dialogo«, die für ein allgemeines Publikum geschrieben waren. Gleichzeitig ist es jedoch ein polemisches Werk, in dem Kepler seine Leser davon überzeugen will, dass seine Lösung des überkommenen Problems der Planetenbewegung die einzig mögliche Alternative ist.
Entstehung: Als Kepler 1600 der Einladung Tycho Brahes folgte und nach Prag ging, übernahm er das Studium der Bewegungen des Planeten Mars - eine Tätigkeit, die er auch nach Tychos Tod im darauffolgenden Jahr und der Übernahme von dessen Position fortsetzte. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse, aber auch die Wege und Irrwege, auf denen er zu ihnen gelangte, sind in der 9 Jahre später (in Heidelberg) publizierten »Neuen Astronomie« niedergelegt. Der eigentliche (Kurz-) Titel des Werkes ist »De Motibus Stellae Martis«, »Über die Bewegungen des Sterns Mars«, dennoch wird es meist - nach der ersten Zeile des vollständigen Titels - »Astronomia nova« genannt. Eine erste Fassung mit etwa 80 % des endgültigen Inhalts hatte er schon vor seiner Entdeckung der elliptischen Planetenbahnen fertiggestellt und Kaiser Rudolph II geschickt; die heute bekannte Fassung enthält die nach der Entdeckung notwendigen Korrekturen.
Struktur: Dem Brauch der Zeit entsprechend beginnt das Buch nach einer Widmung an Kaiser Rudolph II - der bei den Gehaltszahlungen stets im Rückstand blieb - mit Gedichten, die Kepler und seine Arbeit loben. Darunter ist aber auch ein Gedicht von Tycho Brahe, in dem er die Jugend zur Reform der Astronomie auffordert. Kepler antwortet mit einem Epigramm, in dem er diesem Aufruf folgt und sein Werk in Brahes Nachfolge stellt. In einer ausführlichen Einleitung gibt er eine Synopse aller fünf Teile des Werkes und fasst dann die 70 Kapitel knapp zusammen, bevor er mit dem Hauptteil beginnt.
Inhalt: Kepler reformiert mit diesem Werk die astronomische Theorie, so dass die Berechnungen aus den astronomischen Tabellen - speziell für die Marsbewegung - nun mit den Beobachtungen übereinstimmen. Bisher waren alle Astronomen an diesem Problem gescheitert - auch Tycho Brahe und sein Assistent Longomontanus, da sie Kreisbewegungen für die Planetenbahnen, spezielle für die Marsbahn, angenommen hatten. Mars hat eine Schlüsselstellung, denn seine Bahn weicht stärker als die der anderen Planeten (mit Ausnahme von Merkur und des damals noch unbekannten Pluto) von der Kreisform ab, so dass die Form der Ellipse - mit der Sonne in einem Brennpunkt - deutlicher hervortritt. Kepler beschreibt im Buch den mühevollen Weg zum Ziel - das erst während der Entstehung des Buches erreicht wurde -, und er untersucht auch die »natürlichen Ursachen« der Bewegungen von Himmelskörpern, führt das Konzept einer von der Sonne ausgehenden Kraft ein und wird so zum Wegbereiter Newtons (kann jedoch die grundlegenden Begriffe der Schwerkraft und der Trägheit noch nicht formulieren).
Im Verlauf der Arbeit legt er nicht nur nach und nach die antiken ptolemäischen Methoden für astronomische Berechnungen ab, sondern er erweitert auch das kopernikanische System in entscheidender Weise. Das Zentrum dieses Systems ist der Mittelpunkt der Erdbahn. Kepler verlegte den Mittelpunkt in die Sonne - von der seiner Vorstellung nach die Kraft ausgeht. Da auch er jedoch die Planetenbahnen zunächst noch für Kreise hielt, musste er die Sonne vom Kreismittelpunkt weg verschieben, um seine Berechnungen annähernd mit Tychos Marsdaten in Übereinstimmung zu bringen. Schließlich ermöglichte ihm dann seine Entdeckung der elliptischen Bahnen die genaue Erklärung der Beobachtungen. Diese entscheidende Phase dauerte etwa zwei Jahre und ist in den Kapiteln 41 bis 60 mit allen Irrwegen beschrieben. Zeitweise vermutete er, die Marsbahn habe die Gestalt eines Eies, bevor er auf die richtige Lösung kam. Er zeigte auch, dass die Vorstellung des Kopernikus von einer im Raum oszillierenden Marsbahn falsch war, vielmehr die Ebenen der Planetenbahnen durch die Sonne gehen und feste Winkel zueinander haben. Und er verwarf die bisherige Vorstellung der »gleichförmigen Bewegung in vollkommenen Kreisen«: Die Planeten bewegen sich schneller, wenn sie näher an der Sonne sind. Damit entfernte er die zusätzlichen sog. Epizyklen (Exzenter: der Bahnmittelpunkt dreht sich dann um die Sonne, so dass die Bewegung des Planeten auch ohne Ellipsenbahn exzentrisch wird), mit deren Hilfe Kopernikus versucht hatte, sein System zu retten (beim Mars waren es fünf), und formulierte sein Zweites Gesetz, das er 1602 vor dem Ersten entdeckte.
Wirkung: Die in der »Astronomia Nova« veröffentlichten Keplerschen Gesetze sind die ersten neuzeitlichen Naturgesetze. Sie ermöglichen präzise, nachprüfbare Aussagen über die Planetenbewegung, die in der Sprache der Mathematik formuliert sind, und haben eine enorme Bedeutung für die weitere Entwicklung der Naturwissenschaften, insbesondere der Newtonschen Gravitationstheorie (1684 bis 86). Keplers Zeitgenossen - Galilei eingeschlossen - blieb jedoch die Bedeutung seiner Entdeckungen weitgehend verborgen, so dass die durch sie eingeleitete gemeinsame Entwicklung von Physik und Astronomie erst später wirksam wurde.
G.W.
Siehe "Das Buch der 1000 Bücher" (2002; Harenberg-Verlag) für den vollständigen illustrierten Artikel.