Strings, Membranen und Dualitäten

Fortschritte auf dem Gebiet der Stringtheorie - eines der mathematisch anspruchsvollsten Gebiete der theoretischen Physik - riefen in diesem Jahr bei der internationalen Strings'99 Tagung in Potsdam ein ungewöhnliches Medienecho hervor: Es wird nach einer vereinheitlichten Theorie der vier fundamentalen Wechselwirkungen gesucht.

Von Georg Wolschin

Wie man die einander wesensfremden Theorien der Gravitation - von Albert Einstein in die heute noch gültige Form der allgemeinen Relativitätstheorie gegossen - und der Quantenmechanik unter einen Hut bringt, beschäftigt theoretische Physiker auf der ganzen Welt. Zwar kann man sich bei den heute experimentell in Teilchenbeschleunigern zugänglichen Energien von einigen 100 Milliarden Elektronenvolt auf das Standardmodell der Teilchenphysik beschränken, und die bei Elementarteilchen sehr schwache Gravitationskraft außer acht lassen: So ist beispielsweise der Bohr-Radius zweier Neutronen unter dem Einfluß der Gravitationskraft allein um das Hundertfache größer als der Durchmesser der Milchstraße.

Erst bei sehr hohen Teilchenenergien weit jenseits der heute in Beschleunigern erreichbaren Werte wird - als Folge der durch die spezielle Relativitätstheorie beschriebenen relativistischen Massenzunahme - auch im Bereich der Elementarteilchen die Gravitationskraft wichtig, so dass sie in einer vereinheitlichten Theorie aller Grundkräfte berücksichtigt werden muß. Andererseits sollte bei detaillierten Theorien des Urknalls oder von Schwarzen Löchern die rein gravitative Formulierung im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie durch die Quantentheorie ergänzt werden, da bei diesen Fragestellungen Quanteneffekte wichtig werden.

Auf der Suche nach einer neuen Theorie, die das Standardmodell der Teilchenphysik - die akzeptierte Quantenfeldtheorie der starken, schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung - und die Gravitationstheorie vereinigt und ihre mathematischen Widersprüche überwindet, hat sich in den zurückliegenden 30 Jahren die sogenannte Stringtheorie herausgebildet.

Strings statt Teilchen

Die bekannten punktförmigen Elementarteilchen (Leptonen und Quarks) ersetzt man in der Stringtheorie durch ein in einer Dimension ausgedehntes Objekt: einen String (Bild 1). Er kann offen (wie ein Faden) oder geschlossen (wie eine Schlaufe) sein, und er hat (wie eine angeregte Violin-Saite) Eigenschwingungen, die man - im Sinne der aus der Quantenmechanik bekannten Welle- Teilchen-Dualität - als Teilchen interpretiert.

Es gibt dabei masselose Anregungen, die für kleine Spins (Eigendrehimpulse) dem typischen Spektrum einer Quantenfeldtheorie mit Bosonen (Teilchen mit ganzzahligem Spin wie dem Photon) und Fermionenfamilien (Teilchen mit halbzahligem Spin) entsprechen, und auch Anregungen mit sehr großer Masse von der Größenordnung der Planck-Masse (1,22*10^28 Elektronen- volt/c^2, entsprechend etwa 1/100 000 Gramm), die sich jedoch auch in den größten Teilchen- beschleunigern nicht erzeugen lassen.

Bei den masselosen String-Anregungen ist stets eine Anregung mit dem Eigendrehimpuls von 2 (in Einheiten des Planckschen Wirkungsquantums, dividiert durch 2*pi) im Spektrum enthalten, die man mit dem Graviton - dem Austauschteilchen der Gravitationswechselwirkung - identifiziert. Auf diese Weise wird die Gravitation, die im Standardmodell der Teilchenphysik als einzige der 4 fundamentalen Wechselwirkungen nicht enthalten ist, zu einem Bestandteil der Stringtheorie - die so zu einem Kandidaten für die gesuchte vereinheitlichte Theorie der in der Natur heute bekannten Wechselwirkungen avancierte.

Bisher wurden Atome, Kerne und Elementar- teilchen einerseits, und Gravitation andererseits experimentell und theoretisch auf getrennten Wegen erforscht. Die allgemeine Relativitätstheorie als gültige Theorie der Gravitation ist ein Standardwerkzeug bei der Beschreibung von Phänomenen wie Gravitationslinsen, Gravitationswellen, Schwarzen Löchern und dem Urknall. Will man sich jedoch an die theoretische Beschreibung der Details des Urknalls und des Inneren von Schwarzen Löchern wagen, muß die Quantentheorie einbezogen, und der Zusammenhang zu den anderen physikalischen Kräften hergestellt werden. Die Stringtheorie erhebt den Anspruch, dies - zumindest im Prinzip - leisten zu können.

In der ursprünglichen, bereits Ende der 60er Jahre auf der Basis eines von dem italienischen Physiker Gabrielle Veneziano entwickelten Modells vorgeschlagenen Stringtheorie war man zunächst auf Bosonen beschränkt, aber 1971 formulierten John Schwarz und Andre Neveu eine "Spinning string" Theorie auch für Fermionen. Sie erwies sich als Vorläufer der heute gültigen super- symmetrischen Stringtheorien, die man auch als "Superstring-" Theorien bezeichnet.

Supersymmetrie

Die Supersymmetrie ist dabei ein in vielen Zweigen der theoretischen Physik nŸtzliches Konzept: Sie stellt eine Erweiterung der Raum-Zeit-Symmetrie dar, welche Bosonen und Fermionen miteinander in Beziehung setzt. Physiker in Rußland, Europa und den USA führten sie unabhängig voneinander ein. Julius Wess und Bruno Zumino gaben 1974 ein Verfahren an, mit dem man globale Supersymmetrie- Theorien in systematischer Weise aufstellen kann. Im Rahmen gegenwärtiger Supersymmetrie-Modelle für die Teilchenphysik wird die Anzahl der aus dem Standardmodell bekannten Teilchen im wesentlichen verdoppelt: Zu jedem fundamentalen Fermion (Lepton, Quark) gibt es einen noch zu entdeckenden Spin-0-Partner, und zu jedem bekannten Boson (Photon, Gluon,W-, Z-, Higgs-Boson) einen bisher unbekannten Spin-1/2-Partner.

Wäre die Supersymmetrie exakt erfüllt, müßten die Teilchen und ihre "Super-"Partner die gleiche Masse haben. Das ist offensichtlich nicht der Fall, da man sie dann in Experimenten an Teilchenbeschleunigern bereits entdeckt hätte. Demnach muß die Supersymmetrie gebrochen sein. Ob und wenn ja, bei welchen Energien man supersymmetrische Teilchen findet, ist eine unter Teilchenphysikern heiß diskutierte Frage - die Hoffnungen ruhen hier auf Experimenten am Large Hadron Collider (LHC) am Cern, der im Jahre 2005 den Betrieb aufnehmen wird und Kollisionen von Protonenstrahlen mit Energien von 7 Billionen Elektronenvolt ermöglichen wird.

Unabhängig von der Frage der möglichen Entdeckung supersymmetrischer Teilchen eröffnet diese Theorie jedoch einen eleganten Weg, die drei in der Teilchenphysik wichtigen Wechselwirkungen mit der Gravitation zu vereinigen, und die "Superstring-"Theorie ist ein Kandidat für eine solche Vereinigung. Als Folge der Brechung der Supersymmetrie erscheint dann in der Theorie ein Analogon zu einer (bereits von Albert Einstein zunächst eingefŸhrten, dann als Eselei verworfenen) von Null verschiedenen kosmologischen Konstanten, auf die es - unter anderem durch die Messungen von Typ Ia- Supernovae mit dem Hubble-Weltraumteleskop - seit 1998 deutliche Hinweise gibt.

Zehndimensionale Raum-Zeit und DualiäŠt

Am einfachsten lassen sich konsistente Stringtheorien in zehn Raum-Zeit- Dimensionen formulieren. Hier gibt es fŸnf unterschiedliche Stringtheorien (Bild 3) ,von denen eine neben geschlossenen auch offene Strings enthält. Die Bezeichnungen dieser Theorien beziehen sich auf die Anzahl der Superladungen (Typ I, II) und die zugrundeliegenden Eichgruppen bzw. Symmetriestrukturen. Dazu kommt die elfdimensionale Supergravitationstheorie - eine Quantengravitationstheorie, die ebenfalls um den Aspekt der Supersymmetrie erweitert ist.

Natürlich hat die uns umgebende Raum-Zeit keine zehn oder elf, sondern nur vier Dimensionen, so dass die zur konsistenten Formulierung der Theorien notwendigen "zusätzlichen" Dimensionen "aufgerollt" werden - in vergleichbarer Weise, wie man beispielsweise eine zweidimensionale Fläche durch Einrollen und Schrumpfen zu einer eindimensionalen Linie reduzieren kann (Bild 2).

Jede Theorie hat jeweils eine eigene "Kopplungskonstante". Eine derartige Konstante bestimmt - analog zur Wechselwirkung zweier Teilchen - die Wechselwirkung von Strings, und Quanten- korrekturen zu Albert Einsteins Gravitationstheorie macht man im Rahmen einer sogenannten Störungsentwicklung in dieser Kopplungskonstanten.

Bei sehr starker Kopplung versagen jedoch solche störungstheoretischen Methoden. Wie die Stringtheoretiker erkannt haben, hilft hier das Prinzip der Dualität ((wie wir es in anderem Zusammenhang aus dem Welle-Teilchen Dualismus der Quantenmechanik kennen)) weiter: Eine Theorie mit starker Kopplung, die für sich genommen nicht lösbar ist, ist oft äquivalent zu einer dualen Theorie mit der inversen (und dementsprechend kleinen) Kopplungkonstanten, die störungstheoretisch lösbar ist. Im Rahmen der Stringtheorien war dieses Prinzip erstmals Anfang der 90er Jahre von Dieter Lüst (damals Cern, jetzt Humboldt-Universität Berlin) und seinen Kollegen eingesetzt worden. Zueinander duale Beschreibungen verschiedener Stringtheorien ermöglichten es anschließend in mehreren Fällen, auch stark gekoppelte Stringtheorien quantitativ zu behandeln.

Ausserdem konnte mit Hilfe von Dualitäten zwischen den im Standardmodell eingeführten Quantenfeldtheorien, und den Stringtheorien gezeigt werden, dass manche feldtheoretischen Resultate sich im Rahmen von Stringtheorien erklären lassen. Von großem Interesse für die Forschung der jüngsten Zeit ((einer der demnächst erscheinenden Reviews hat 739 Referenzen)) ist die Korrespondenz zwischen Stringtheorien und Feldtheorien wie der Quantenchromodynamik (Theorie der starken Wechselwirkung, in der die Quarks N = 3 unterschiedliche "Farben" haben kšnnen).

Im Grenzfall einer Quantenfeldtheorie für große Werte von N gibt es eine Korrespondenz zu den Stringtheorien: Die Stringtheorie wird dann dual zur Feldtheorie. Eine besondere Rolle in dieser Korrespondenz spielt der Anti-de-Sitter Raum, der einer Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen mit negativer kosmologischer Konstanten und maximal möglicher Symmetrie entspricht (Bild 4). Der Krümmungsradius dieses Raumes hängt von N ab: großes N entspricht einem großen Radius, und durch Wahl eines großen Wertes von N kann die Raumkrümmung beliebig klein gemacht werden; für N gegen unendlich wird der Raum flach. Da jede Stringtheorie die Gravitation enthält, gilt dies auch für die Theorie im Anti-de-Sitter-Raum. Im Ergebnis erhält man eine Äquivalenz zwischen Quantengravitations- und Feldtheorie, die jedoch wegen der niedrigeren Dimension der Feldtheorie äußerst schwierig zu formulieren ist.

Obwohl es zwischen den verschiedenen Stringtheorien, deren höhere Dimensionen sich auf jeweils viele unterschiedliche Arten einrollen lassen, mathematisch streng formbleibt es zunächst unbefriedigend, derart viele vermeintliche Kandidaten für eine "einheitliche" Theorie der Grundkräfte zu haben. Die String-Theoretiker suchen deshalb nach einer fundamentaleren sogenannten "M-Theorie", welche die bisher bekannten Theorien in verschiedenen Regionen ihres Parameterraumes im Grenzfall schwacher Kopplung enthält (Bild 3): Dies ist gegenwärtig eine der Hauptforschungsrichtungen.

In einer solchen Theorie können die elementaren Anregungen keine Strings sein; man vermutet, dass höherdimensionale Objekte wie Membranen - allgemein spricht man von "Branes" - deren Rolle übernehmen könnten. Nicht umsonst war denn auch "Branes" - von J. Polchinski 1995 eingeführt - ein Schlüsselbegriff auf der Potsdamer String-Konferenz im Juli dieses Jahres, die vom Albert-Einstein-Institut für Gravitationsphysik in Golm veranstaltet wurde, und Stephen Hawking schlug sogar vor, die nächste dieser internationalen Tagungen als "Branes 2000" anzukündigen.

Ein eventueller Erfolg bei der Formulierung einer M-Theorie wäre von besonderem Interesse, wenn sich die gesuchte Theorie als eindeutig erwiese. Dies würde sicherlich auch die Verbindung von Stringtheorie und Elementarteilchenphysik, die zur Zeit nicht sehr stark ist, wieder intensivieren. Bis dahin kann auf die spektakulären Entwicklungen in verschiedenen Zweigen der Mathematik verwiesen werden, die durch die Arbeiten der Stringtheoretiker ausgelöst worden sind; in den vergangenen Jahren galt das vor allem für die nichtkommutative Geometrie.

Weitere Infos unter:

AEI-Potsdam

Strings99

Bildlegenden:

Bild 1: In der Stringtheorie ersetzt man die punktförmigen Elementarteilchen des Standardmodells durch eindimensionale - etwa 10^-35 Meter lange - Strings. Anregungszustände eines geschlossenen Strings, die Teilchen entsprechen, sind hier schematisch dargestellt.

((Bildnachweis: MPI für Gravitationsphysik))

Bild 2: In den - in der Regel zehndimensionalen - Stringtheorien muß die Dimensionszahl reduziert werden, um zur vierdimensionalen Raum-Zeit zu gelangen. Das ist hier schematisch am Beispiel einer zweidimensionalen Fläche dargestellt, die durch Einrollen und Schrumpfen, Verbinden der Enden und erneutes Schrumpfen zunächst zu einem ein-, dann zu einem nulldimensionalen Gebilde reduziert wird.

((Bildnachweis: Spektrum März 1996 Seite 46 Bild 4))

Bild 3: In der zehndimensionalen Raum-Zeit gibt es fünf Stringtheorien,die hier schematisch aufgefŸhrt und anhand ihrer Superladungen (I,II) und Symmetriestrukturen klassifiziert sind; dazu kommt die elfdimensionale Supergravitation. Heute vermutet man, dass diese Theorien unterschiedliche Manifestationen einer fundamentaleren "M-Theorie" (Mitte) in bestimmten Regionen ihres Parameterraumes sind.

((Bildnachweis: Jan Louis und S. Theisen, Univ. Halle/München))

Bild 4: In Korrespondenzen zwischen Quantenfeldtheorien und Stringtheorien spielt der Anti-de-Sitter Raum eine besondere Rolle. Er läßt sich- im jeweils um eine Dimension kleineren Raum - als Hyperboloid mit geschlossenen zeitartigen Kurven längs der tau-Richtung darstellen. Die Größen rho und tau bestimmen dann die Metrik auf diesem Raum.

((Bildnachweis: "Large N Field Theories, String Theory and Gravity", O. Aharony et al., wird veröffentlicht in Physics Reports; Bild 2.4, Seite 40))

Perspektiven der Stringtheorie

Interview mit Edward Witten, Institute for Advanced Study, Princeton (New Jersey)

GW: In der allgemeinen Relativitätstheorie gibt es mit der Äquivalenz von träger und schwerer Masse ein grundlegendes Prinzip. Liegt der Stringtheorie ein vergleichbares Konzept zugrunde?

Witten: Das ist das größte Rätsel auf diesem Gebiet in den letzten dreißig Jahren. Im Unterschied zu allen anderen bisherigen Theorien in der Geschichte der Physik, bei denen die konzeptionelle Fundierung mehr oder weniger gleichzeitig mit der Entwicklung der Theorie erfolgte, wurde die Stringtheorie durch einen erstaunlichen historischen Zufall entdeckt, und in den zurückliegenden dreißig Jahren haben wir versucht, uns an die eigentlichen Grundlagen der Theorie heranzuarbeiten. Auf dem Weg dahin ist eine ganze Folge von verblüffenden Entwicklungen gelungen.

GW: Die verschiedenen Varianten der Stringtheorie sind in der Regel zehndimensional. Es müssen deshalb sechs Dimensionen "aufgerollt" werden, um zur vierdimensionalen Raum-Zeit zu gelangen. Richard Feynman bemerkte, dass sich die Anzahl der einzurollenden Dimensionen nicht aus der Theorie heraus bestimmen läßt. Ist das inzwischen möglich?

Witten: Wir ((die String-Theoretiker)) wissen heute noch nicht wie das vor sich geht, hoffen aber auf die zukünftige Entwicklung.

GW: Das Standardmodell der Teilchenphysik vereinigt starke, elektromagnetische und schwache Wechselwirkungen auf der Grundlage von Quantenfeldtheorien. Nach heutigem Stand der Erkenntnis beschreibt es die Beobachtungsergebnisse sehr gut und sollte daher in einer "übergreifenden" Theorie wie der Stringtheorie als Grenzfall für (im Vergleich zur Planck-Masse) niedrige Energien enthalten sein. Ist das der Fall?

Witten: Dies ist eines der Dinge, das die Leute Mitte der achtziger Jahre so aufregte, als neue Entdeckungen über die Aufhebung von Anomalien in sogenannten heterotischen Strings gemacht wurden. Plötzlich war es dadurch möglich geworden, wesentliche qualitative Strukturen des Standardmodells auf erstaunlich elegante Weise((aus der Stringtheorie)) abzuleiten. Es lassen sich jedoch nicht alle quantitativen Details ableiten.

GW: In den vergangenen Jahren hat sich die Stringtheorie - unter anderem - in Richtung Membrantheorie bewegt. Was ist das wesentliche dieser Theorie?

Witten: Wir haben gelernt, dass die Stringtheorie neben anderem auch bestimmte kollektive Anregungen beschreibt, die sogenannten "Branes". Es handelt sich dabei um ausgedehnte Objekte wie Membranen, und entsprechende höher-dimensionale Objekte. In gewisser Hinsicht haben sie dieselbe Basis wie die Strings. Es sieht so aus, als ob es eine Symmetrie zwischen Strings und Branes gibt, so dass diese Objekte gleich wichtig sind. Als Werkzeug für Rechnungen sind Strings jedoch viel (nützlicher.

GW: Gibt es eine Chance, die Theorie durch Vergleich mit Experimenten oder Beobachtungen in der Zukunft zu verifizieren?

Witten: Es gibt bereits einige Vorhersagen, beispielsweise für ... den Logarithmus der Newtonschen Gravitationskonstante. Hier findet man einen Unterschied zum Messwert von 6-7 Prozent - das ist zwar keine gute Übereinstimmung, aber für einen ersten Versuch nicht so schlecht. Ausserdem ergeben sich, wie ich schon sagte, die qualitativen Merkmale des Standardmodells auf eine erstaunlich elegante Art und Weise aus der Stringtheorie. Für einen vollständigeren Vergleich ((mit Daten)) wird man wohl auf das nächste Jahrhundert warten müssen. Vielleicht lässt sich dann auch die unerwartet kleine kosmologische Konstante erklären und die Brechung der Supersymmetrie ((im Rahmen der Superstringtheorie)) besser verstehen. Möglicherweise gelingt es sogar, supersymmetrische Teilchen bei Cern und Desy zu entdecken - und so fort.

GW: Dafür benötigen Sie den Large Hadron Collider (LHC) am Cern, der im Jahre 2005 in Betrieb gehen soll?

Witten: Falls wir nicht ((vorher)) besonders großes Glück haben, brauchen wir den LHC, um die Supersymmetrie zu entdecken. Um es genauer zu sagen: Diese Maschine ist der wahrscheinlichste Platz für die Entdeckung der Supersymmetrie.

((ein Portraitfoto von E. Witten gibt's beim Spiegel, Hamburg)). Der Artikel ist publiziert in Spektrum der Wissenschaft., Heft 10 (1999).

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