Next generation telescopes:Massimo Tarenghi

Teleskope der nächsten Generation

Interview mit Massimo Tarenghi, ESO (München) ((VLT-Programmdirektor und Head der Teleskop-Division)) über die Perspektiven der beobachtenden Astronomie

((das Gespräch wurde auf englisch geführt; die Bandaufnahme ist bei mir. Der deutsche Text ist gekürzt und - mit Vorab-Erlaubnis des Interviewten - ediert; dabei wurden Passagen aus verschiedenen Antworten zusammengezogen. Eine redaktionsseits edierte Version erschien in Spektrum der Wissenschaft 6(2000))

GW: Wie ordnen sich die neuen Geräte der beobachtenden Astronomie in die verschiedenen Bereiche des elektromagnetischen Spektrums ein?

Tarenghi: Bei ESO haben wir in den letzten 3 bis 5 Jahren unsere langfristigen Zukunftspläne diskutiert. Wir sind überzeugt, dass die Astronomie bei Millimeter-Wellenlängen in Zukunft besonders vorangetrieben werden muss. Wir werden tief in den Weltraum hinein"sehen" und dort thermische Emissionen untersuchen. ALMA (Atacama Large Millimeter Array) is deshalb für uns das wichtigste Projekt; wir werden damit einen Bereich der Energieerzeugung im Universum untersuchen, der bisher nicht abgedeckt war, und die physikalischen Mechanismen zu Beginn der Galaxienbildung aufdecken. Beim Bau großer optischer Teleskope wollen wir von der Erfahrung profitieren, die wir bisher gewonnen haben und dabei - das ist sehr wichtig - die Vorteile der adaptiven Optik voll ausnutzen: die Möglichkeit, atmosphärische Turbulenzen bis zur Diffraktionsgrenze zu eliminieren. Auf dieser Grundlage macht es Sinn, das Projekt eines optischen Teleskops mit 100 Metern Spiegeldurchmesser zu diskutieren. Obwohl wir bei der adaptiven Optik erst am Anfang stehen, wissen wir im Prinzip, wie bei derart großen Geräten vorzugehen ist.

GW: Soviel zum optischen- und Millimeterwellenbereich des Spektrums. Im Röntgenbereich sind die neuen Satelliten Chandra und XMM von besonderem Interesse.

T: Diese kürzlich gestarteten Geräte liefern uns physikalische Informationen bei höheren Energien und sind komplementär zu den Projekten der ESO. Für Projekte im Röntgenbereich wird die Vereinigung von Röntgendaten aus verschiedenen Telekopen in einem Bild sehr wichtig sein.

GW: Punktquellenstudien und Himmelsdurchmusterungen werden nicht nur im Röntgen, sondern gleichzeitig auch in den anderen Spektralbereichen gemacht?

T: Wir möchten zunächst möglichst vollständige Himmelsdurchmusterungen im Röntgen-, optischen und infraroten Spektralbereich haben, wie sie optisch etwa mit dem Hubble-Weltraumteleskop und nun auch mit terrestrischen Teleskopen begonnen worden sind. Dann suchen wir uns mit den großen Geräten einzelne interessante Quellen heraus - das kann eine Galaxie in ihrer Entstehungsphase bei sehr hoher Rotverschiebung sein, oder man beobachtet nahegelegene, aber intrinsisch schwach leuchtende ((faint)) Objekte, die sich mit bisherigen Teleskopen nicht untersuchen ließen, wie extrasolare Planeten. Der große Traum ist es hier, mit optischer Interferometrie und Teleskopen der 100-Meter-Klasse solche Planetensysteme - von denen wir bereits wissen, dass sie existieren - zu sehen. Sind genügend viele Photonen, die vom Planenten herrühren, getrennt vom Stern nachweisbar, sollte das Spektrum analysierbar sein.

GW: Da das 100-Meter-Teleskop noch nicht existiert: Was ist derzeit die erfolgversprechendste Methode für den direkten Nachweis von extrasolaren Planeten?

T: Das ist sicherlich optische Interferometrie am VLTI. Für eine genaue Analyse werden wir jedoch das 100-Meter-Teleskop brauchen.

GW: Bei den Teleskopen im Weltraum wird das Next Generation Space Telescope, NGST, Nachfolger des Hubble-Teleskops. Was sind dessen Vor-und Nachteile gegenüber dem VLT? Interferometrie ist dort jedenfalls nicht möglich.

T: Dies wird ein 8-Meter-Teleskop im Weltraum sein, allerdings ein einzelnes. Es wird etwa 2010 gestartet werden. Im Infrarotbereich wird es überlegen sein, aber im optischen Teil des Spektrums wird das VLT wichtig bleiben. Wenn wir in einigen Jahren adaptive Optik am VLT einsetzen können und so den Einfluss atmosphärischer Störungen ausschalten - die Atmosphäre wird transparent - sind die Instrumente vergleichbar. In der Tat plant die NASA das NGST primär für den Infrarotbereich, weil das Ziel nicht Konkurrenz, sondern sinnvolle Zusammenarbeit ist.

GW: Wann planen Sie den Einsatz eines terrestrischen 100-Meter-Teleskops?

T: Nach unserem ((ESO)) Plan soll es um 2017 "First Light" geben. Das ist ein langer Weg, aber auch beim VLT lagen etwa 20 Jahre zwischen der ersten Idee und der Realisierung - und im Rückblick erscheint das als eine kurze Zeit.

GW: Was wird das Material für den 100-Meter-Spiegel sein?

T: Wir untersuchen verschiedene Materialien. Zur Zeit sind das konventionelle Materialien wie Zerodur. Ein solcher Spiegel würde aus etwa 2000 Segmenten bestehen. Pro Woche müssten also mehr als zwei derartige Spiegelsegmente hergestellt werden; das lässt sich mit der vorhandenen Technologie bewältigen. Die beim VLT erreichte Genauigkeit in der Spiegeloberfläche von 7 Nanometern ist auch für ein solches Projekt ausreichend.

GW: Wird dies ein reines ESO-Projekt sein?

T: Bei diesen Größenordnungen ist das nicht mehr möglich. Einer der Gründe, warum wir den "Club 100" gegründet haben, ist die Einleitung einer Zusammenarbeit mit anderen Partnern. Ich bin sicher, dass dies ein weltweites Projekt werden wird. Vor einigen Jahren hatte ich den 8-Meter-Club mit japanischer und amerikanischer Beteiligung gegründet, und wir haben die Vorteile eines solchen Informationsaustausches kennengelernt. Jetzt wollen wir nicht nur Informationen austauschen, sondern unsere Kräfte vereinen, um ein großes Ziel zu erreichen.

GW: Außerhalb des elektromagnetischen Spektrums wird es zum Nachweis von Gravitationswellen - die bei starker Beschleunigung kosmischer Massen erzeugt werden - sowohl neue terrestrische Projekte wie VIRGO als auch mit LISA ein Weltraum-Interferometer geben. Was ist der vielversprechendere Ansatz?

T: Wie bei der optischen Astronomie ergänzen sich auch hier terrestrische- und Weltraum-Projekte, man kann auf keines verzichten. Auf der Erde können insbesondere neue Technologien getestet werden, die dann auch im Weltraum eingesetzt werden. Sowohl mit VIRGO als auch mit dem LISA-Weltrauminterferometer werden wir in einen Empfindlichkeitsbereich vorstoßen, der einen Test unserer physikalischen Theorien auch dann ermöglicht, wenn noch keine Gravitationswellen nachgewiesen werden. Die bei Gravitationswellen-Detektoren eingesetzte Technologie ähnelt übrigens derjenigen, die wir bei optischer Interferometrie verwenden, und es gibt einen intensiven Informationsaustausch, obwohl die Ziele ganz unterschiedlich sind. Ich hoffe, dass wir bald Gravitationswellen und, durch gleichzeitige Beobachtungen elektromagnetischer Strahlung, auch die Quelle - beispielsweise eine Supernova-Explosion - registrieren werden. Als Astronom wäre ich fasziniert, und für die physikalische Theorie wäre es eine revolutionäre Bestätigung.

Bild: Darstellung des Atacama Large Millimeter Array ALMA, eines der weltweit wichtigsten Astronomie-Projekte der kommenden Jahre. Die Anordnung aus 64 Millimeterwellen-Antennen mit jeweils 12 Metern Durchmesser wird in der Atacama-Wüste in Chile in 5000 Metern Höhe entstehen und den Spektralbereich zwischen Radio- und Infrarotstrahlung erschliessen. Es ist das erste wirklich globale Astronomie-Vorhaben, zu dessen Trägern die ESO, die amerikanische National Science Foundation und die deutsche Max-Planck Gesellschaft zählen.

Eine redaktionsseits edierte Version erschien in Spektrum der Wissenschaft 6(2000)

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