Research with the VLT

Wissenschaftliche Resultate vom VLT

Das Very Large Telescope VLT der Europäischen Südsternwarte ESO in der chilenischen Atacama-Wüste steht kurz vor der Inbetriebnahme des vierten 8,2-Meter-Spiegels. Schon jetzt gibt es überzeugende wissenschaftliche Resultate - und phantastische Bilder.

Die Forschung mit den vier 8,2-Meter-Spiegeln Antu (Mapuche-Ausdruck für die Sonne), Kueyen (der Mond), Melipal (das Kreuz des Südens) und Yepun (Venus) des Very Large Teleskops der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem Cerro Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste zeigt bereits deutliche Konturen. Drei dieser großen Teleskope sind nunmehr in Betrieb - im Januar dieses Jahres gab es "First Light" bei Melipal, so dass die Gesamt-Spiegelfläche etwa 160 Quadratmeter beträgt. Noch in diesem Jahr [September] wird Yepun folgen. Zwar ist die Interferometer-Anordnung - und damit die Möglichkeit, besonders hohe Auflösung bis unter einer Milli-Bogensekunde zu erreichen (siehe Spektrum der Wissenschaft, VLT-Hauptartikel, ESO, 2000) - noch nicht einsatzbereit: Erst nach 2002 wird man das Licht aus zunächst zwei, dann mehreren Teleskopen und drei beweglichen 1,8-Meter-Zusatzspiegeln überlagern können. Bis dahin lassen sich jedoch mit den separaten VLT-Spiegeln bisher unerreichte Forschungsergebnisse gewinnen.

Ein Beispiel ist der Nachweis und die Spektroskopie ferner Galaxien. Inzwischen gibt es Hinweise, dass viele Galaxien, die sich bereits im frühen Universum - weniger als drei Milliarden Jahre nach dem Urknall - gebildet hatten, mit optischen Teleskopen nicht ^sichtbar sind - teils, weil ausgesandtes sichtbares Licht von Staub absorbiert wird, teils, weil dort die Sternentstehung weitgehend abgeschlossen ist und Licht von älteren kühlen Sternen vorwiegend in roten und infraroten Spektralbereichen ausgesandt wird. Zusätzlich wird das Licht dann aufgrund der Expansion des Kosmos zu längeren Wellenlängen verschoben, so dass ein Nachweis im nahen Infrarotbereich besonders erfolgversprechend ist.

Solche Beobachtungen sind am VLT Antu jetzt mit der Infrared Spectrometer And Array Camera ISAAC möglich. Bei infraroten Wellenlängen im Bereich von 1 bis 2 Mikrometern lässt sich mit diesem Gerät ein siebenmal größeres Himmelsgebiet als mit früheren Instrumenten erfassen, und eine Gruppe europäischer Astronomen hat diese Möglichkeit zum Nachweis einer großen Zahl entfernter Galaxien ((im AXAF Deep Field Survey))zu Beginn dieses Jahres genutzt.

Für sichtbares Licht sind bei Antu und Kueyen jetzt die Spektrometer FORS1 und 2 (FOcal Reducer /low dispersion Spectrograph) in Betrieb. Auch sie sind für die Spektroskopie ferner Galaxien von Bedeutung, sofern diese starke Emissionen bei kurzen (ultravioletten) Wellenlängen haben, die nicht durch Staub absorbiert werden und aufgrund der kosmologischen Rotverschiebung im sichtbaren Bereich erscheinen.

Ein Beispiel ist das Studium von Radiogalaxien mit hohen Rotverschiebungen (HzRGs), die in der Kosmologie eine erhebliche Rolle spielen. Sie gehören zu den ältesten und massereichsten Galaxien bei hohen Rotverschiebungen und können Hinweise auf den Zeitraum der Entstehung der ersten Sterngeneration geben. Bei hohen Rotverschiebungen z>4 sind Radiogalaxien die hellsten Objekte, die nicht - wie die Quasare - völlig von ihren aktiven galaktischen Kernen (AGNs) überstrahlt werden. Am VLT lässt sich die sehr große Empfindlichkeit der Nachweisinstrumente ausnutzen, um gleichzeitig Ursprung und Entwicklung der leuchtenden Halos und des ionisierten Gases, und das sie umgebende neutrale Wasserstoffgas zu beobachten.

So hat eine Gruppe holländischer, chilenischer und amerikanischer Astronomen neue Radiokarten benutzt und eine Suche nach Radiogalaxien mit Rotverschiebungen größer als 3 gestartet, die dann mit den hochempfindlichen VLT-Instrumenten detailliert studiert werden. Bereits 1997 hatten sie beispielsweise mit dem 3,6-Meter-Teleskop der ESO in La Silla die Radiogalaxie TN J1338-1942 entdeckt - bei einer Rotverschiebung von z = 4,11, entsprechend einem Alter des Universums von deutlich mehr als 12 Milliarden Jahren.

Mit dem VLT-Spektrometer FORS1 wurde jetzt zunächst die Emission der sogenannten Lyman-Alpha-Linie durch diese Galaxie genau untersucht. Sie entspricht Quantenübergängen des Elektrons im Wasserstoff-Atom aus dem ersten angeregten Zustand in den Grundzustand. Die zugehörige Wellenlänge der ausgesandten Strahlung beträgt etwa 121,6 Nanometer; sie liegt im ultravioletten Bereich des Spektrums. Aufgrund der Rotverschiebung des emitterenden Radiogalaxie um 4,11 Wellenlängen wird sie jedoch in den FORS1 zugänglichen sichtbaren Spektralbereich verschoben und erscheint bei 621,2 Nanometern (Bild 1). Aufgrund der Bewegung des emittierenden Gases ist die Linie (durch den Doppler-Effekt) verbreitert, und die Präzisions- Analyse mit dem VLT zeigt, dass das Profil der Linie sehr asymmetrisch ist. Man führt das auf Absorption durch kaltes Wasserstoffgas im Halo der Galaxie zurück, dessen Dichte auf diese Weise abgeschätzt werden kann. Damit ist der Nachweis erbracht, dass diese Radiogalaxie von einem großen Wasserstoff-Reservoir umgeben ist.

Jenseits des wissenschaftlichen Werts der Forschung mit dem VLT überzeugen viele der dort aufgenommenen astronomischen Bilder durch ihre Ästhetik. Ein besonders gelungenes Beispiel ist die in Bild 2 gezeigte Spiralgalaxie Messier 104 (NGC 4594) : das 104te Objekt im bereits 1784 von dem französischen Astronomen Charles Messier zusammengestellten Katalog von 109 Nebeln, Sternhaufen und Galaxien. Wegen ihrer charakteristischen Gestalt ist M104 auch als Sombrero-Galaxie bekannt, und zweifellos wäre Messier begeistert über die mit ANTU und dem Breitband-Instrument FORS1 erreichte Auflösung dieser aus drei CCD-Bildern zusammengesetzten Aufnahme: Sie beträgt etwa 0,7 Bogensekunden, das entspricht - in der Entfernung dieser Galaxie - ungefähr 170 Lichtjahren (zum Vergleich: unsere Milchstraße hat einen Durchmesser von etwa 100 000 Lichtjahren).

Der Sombrero ist etwa 15 Megaparsec (50 Millionen Lichtjahre) entfernt im Sternbild Jungfrau. Schon 1912 hat der amerikanische Astronom Vesto Slipher am Lowell-Observatorium gemessen, dass sich M104 mit einer Geschwindigkeit von etwa 1000 Kilometern pro Sekunde von uns entfernt; er war auch der erste, der nachweisen konnte, dass die Galaxie rotiert. Die helle Ausbuchtung im Zentrum des Sombrero besteht wesentlich aus Hauptreihensternen; die Scheibe aus Sternen, Gas, und Staub - der vor allem die dunklen absorbierenden Schichten erzeugt. Die kleinen diffusen Quellen im Halo der Galaxie sind meistens alte Sternhaufen ähnlich denen im Halo unserer Milchstraße.

Heutige Messungen zeigen, dass das Masse-zu-Leuchtkraft Verhältnis und die stellaren Geschwindigkeiten in Richtung auf das Zentrum des Sombrero steil ansteigen: ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich hier wie bei vielen anderen Galaxien vermutlich ein Schwarzes Loch im Zentrum befindet. Es hat in diesem Fall etwa 10 Milliarden Sonnenmassen. Wahrscheinlich akkretiert es circumnukleares Material im aktiven galaktischen Kern (AGN) - darauf deuten jedenfalls die variablen Radioemissionen aus dem Zentrum von M104 hin.

G. Wolschin

Bild 1: VLT-Spektrum von Ultraviolett-Emissionen (obere Skala) der Radiogalaxie TN J1338-1942, die bei einer Rotverschiebung von z = 4,11 in den sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums (untere Skala) verschoben werden. Aus der Asymmetrie der Linie wird auf absorbierendes Wasserstoffgas im Halo der Galaxie geschlossen.

((Bildnachweis: C.de Breuck et al./ESO))

Bild 2: Die 50 Millionen Lichtjahre entfernte Sombrero-Galaxie im Sternbild Jungfrau bei einer Auflösung von 0,7 Bogensekunden. Diese Aufnahme ist aus drei CCD-Bildern bei 554, 657 und 768 Nanometern Wellenlänge mit dem VLT ANTU und FORS1 (FOcal Reducer /low dispersion Spectrograph) zusammengesetzt.

((Bildnachweis: Mark Neeser, Richard Hook/ESO))

Sombrero-Galaxie M104

Siehe Spektrum der Wissenschaft 7 (2000) 14 für den vollständigen Artikel.

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