Ruprecht Karls Universität Heidelberg

Klassische Elektrodynamik (PTP3) Wintersemester 2019/20

Die elektrodynamische Wechselwirkung ist bekannt als eine der vier fundamentalen Wechselwirkungen der Physik; das entsprechende Austauschteilchen im Rahmen des Standardmodells ist das Photon, sie ist also eng mit Lichtausbreitung und Optik verbunden. Während die starke und schwache Wechselwirkungen nur auf subatomaren Skalen zum Tragen kommen, ist die elektrodynamische Wechselwirkung wie auch die Gravitation auch auf makroskopischen Skalen relevant und damit Gegenstand unserer Alltagserfahrung. Obwohl im Prinzip 10^40 mal stärker als die Gravitation, spüren wir von diesem Ungleichgewicht wenig, da sich auf grösseren Skalen typischerweise positive und negative Ladungen gegenseitig aufheben. Dies führt dazu, dass auf astronomischen Skalen nur die Gravitation relevant bleibt, die keine entgegengesetzen Ladungen kennt. Auf atomaren, molekularen und supramolekularen Skalen dagegen dominiert die elektrodynamische Wechselwirkung. Von allen fundamentalen Wechselwirkungen hat sie deshalb auch die stärkste technologische Relevanz. So liegt sie z.B. der Elektronik und dem Ladungstransport in biologischen Systemen zugrunde: ohne ein grundlegendes Verständnis der Elektrodynamik gäbe es weder die modernen Informationstechnologie noch ein Verständnis der Informationsverarbeitung im Gehirn. Die Liste der technologisch relevanten Anwendungen liesse sich problemlos fortsetzen, z.B. durch Solarzellen, Photosynthese, Elektrochemie, Telegraphie, Telefonie, Radar, Mikroskope, Kameras, Halbleiter, Computerchips. Umso erstaunlicher ist es, dass all diese Erfindungen und Phänomene letztendlich durch ein System von vier einfachen Gleichungen beschrieben werden können, den Maxwell-Gleichungen, die die komplette axiomatische Grundlage der klassischen Elektrodynamik bilden.

Ziel der Vorlesung PTP3 ist es, eine umfassende Einführung in die klassische Elektrodynamik aus der Sicht der theoretischen Physik zu bieten. Die Maxwell-Gleichungen werden als axiomatisches System betrachtet, aus dem alle relevanten Konsequenzen mit den Methoden der Mathematik und der theoretischen Physik abgeleitet werden können. Die dafür nötigen mathematischen Werkzeuge werden als Einschübe in der Vorlesung und ohne Beweise eingeführt (insbesondere Vektoranalysis, Integralsätze, Distributionen, spezielle Funktionen, Funktionentheorie). Neben der Herleitung der wichtigsten Gesetze und Anwendungen der Elektrodynamik soll auch gezeigt werden, wie ihre Struktur weiter formalisiert werden kann, was schlussendlich zu einer Vereinigung mit der Quantenmechanik führt (ähnlich wie die Umformulierung der klassischen Mechanik in der Hamiltonschen Mechanik).

Da die klassische Elektrodynamik ein fundamentales und abgeschlossenes Gebiet der Physik darstellt, muss das Rad hier nicht neu erfunden werden und es gibt exzellente Lehrbücher, die den Stoff so widerspiegeln, wie er auch in der Vorlesung erklärt wird (insbesondere die Bücher von Fliessbach und Nolting). Allerdings muss aufgrund der Kürze der Zeit (25 Doppelstunden) eine klare Auswahl getroffen werden. Besonders wichtig ist die aktive Verarbeitung des Stoffes durch Übungsaufgaben und –gruppen. Obertutor ist Dr. habil. Falko Ziebert. Für eine Teilnahme an der Klausur müssen 60% der Übungsaufgaben erfolgreich gelöst werden. Weitere Informationen werden in der ersten Vorlesungsstunde gegeben. Von der gleichen Vorlesung im WS 2013/14 gibt es noch ein altes Skript.

Inhalt der Vorlesung

  1. Elektrostatik: Coulombgesetz, Laplace-und Poisson-Gleichungen, skalares Potential, Randwertprobleme, Bildladungen, Multipolentwicklung, Abschirmung
  2. Magnetostatik: Biot-Savart-Gesetz, Magnetismus, Vektorpotential
  3. Dynamische Maxwell-Gleichungen: Induktionsgesetz, Verschiebungsstrom, elektromagnetische Wellen, Licht, Wellenleiter, Dipolstrahlung, Lichtstreuung
  4. Elektrodynamik in Materie: Polarisierung, dielektrische Funktion, Telegraphengleichung, Dispersionsgleichungen, Wellenoptik
  5. Weiterführende Themen: Spezielle Relativitätstheorie, kovariante Formulierung, Lagrangeformalismus

Material zur Vorlesung

Empfohlene Literatur

Buchreihen für Bachelor-Vorlesungen

  • Thorsten Fliessbach, Elektrodynamik, Lehrbuch zur Theoretischen Physik II, Springer, 6. Auflage 2012
  • Wolfgang Nolting, Elektrodynamik, Band 3 Grundkurs Theoretische Physik, 8. Auflage Springer 2007
  • Matthias Bartelmann et al., Theoretische Physik, Springer 2015

Klassiker der Lehrbuchliteratur

  • John David Jackson, Klassische Elektrodynamik, De Gruyter, 3. Auflage 2002
  • Melvin Schwartz, Principles of Electrodynamics, McGraw-Hill 1972
  • Landau und Lifshitz, The classical theory of fields, volume II of the course on theoretical physics (auch auf Deutsch erhältlich bei Harri Deutsch Verlag 1997)
  • The Feynman Lectures on Physics, volume II: Mainly electromagnetism and matter, Basic books 2011(auch auf Deutsch erhältlich bei Oldenbourg Verlag München 2007)
  • J. Honerkamp und H. Römer, Grundlagen der Klassischen Theoretischen Physik, Springer-Verlag 1986
  • Walter Greiner, Theoretische Physik Band 3, Elektrodynamik, Verlag Harri Deutsch 2002

Skripten anderer Heidelberger Dozenten

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