Zum Schluß dieses Kurses wollen wir nun noch überprüfen, wie sich unsere Produkte aus Vektoren unter Drehungen und Spiegelungen des Koordinatensystems verhalten:
Wir wissen schon, dass die Komponenten eines Vektors
, der aus einer Verschiebung entstanden ist, als Projektionen auf die Koordinatenachsen
sich transformieren wie die Basisvektoren selbst:
also
Insbesondere werden bei der Spiegelung am Nullpunkt, der Parität, die Vorzeichen umgedreht. Man nennt diese Vektoren deshalb polare Vektoren.
Als erstes Produkt untersuchen wir das Skalarprodukt aus zwei polaren Vektoren
und
:
Wir haben dabei zuerst die Komponentendarstellung des Skalarprodukts im neuen System eingesetzt mit der Summe über , dann das Transformationsgesetz für die Komponenten polarer Vektoren verwendet, die Orthogonalitätsrelation der Transformationsmatrizen ausgenützt und schließlich nach der Summation über
ohne irgend welche Vorfaktoren die Komponentendarstellung des Skalarprodukts im ursprünglichen Koordinatensystem erhalten.
Damit haben wir gezeigt, dass unser Skalarprodukt dreh- und spiegelinvariant ist, also den Namen Skalar zurecht trägt.
Als nächstes studieren wir die Transformationseigenschaften der Komponenten des Vektorprodukts
zweier polarer Vektoren
und
:
Dabei haben wir zunächst die Komponentendarstellung der k-ten Komponente des Vektorprodukts im transformierten Koordinatensystem mit Summationen über und
eingesetzt, dann die Transformation der Vektorkomponenten der beiden Faktoren durchgeführt und für den letzten Index des Levi-Civita-Symbols ein überflüssiges Kronecker-Symbol mit Summation über
eingeführt. Dieses
haben wir durch zwei orthogonale Transformationsmatrizen ersetzt und die drei Matrizen
mit Hilfe unserer Determinanten-Formel
zur Determinante zusammengefaßt sowie das Vektorprodukt wieder im alten System geschrieben.
Daraus ergibt sich, dass das Vektorprodukt sich bei Drehungen zwar wie ein Verschiebungsvektor als Vektor transformiert, jedoch bei Spiegelungen wegen der Determinsnate eine Vorzeichenänderung erfährt, also spiegelinvariant ist. Derartige Vektoren werden axiale Vektoren genannt und tatsächlich sind alle in der Physik auftretenden durch Vektorprodukte aus polaren Vektoren aufgebauten Vektoren spiegelungsinvariant. Sie hängen, wie wir gesehen haben alle mit Drehvorgängen zusammen und bedeuten im Gegensatz zum Richtungspfeil der Verschiebungsvektoren einen Drehsinn und der ändert sich, wie das folgende Bild zeigt, im Spiegel betrachtet nicht.
Bild 9.29: Spiegelung von Drehsinnkreis und Verschiebungspfeil am Ursprung
Aufgabe 9.48: Polare und axiale Vektoren Sortieren Sie folgende Beispiele physikalischer Vektoren nach ihrem Spiegelungsverhalten in zwei Körbe, einerseits die polaren, andererseits die axialen Vektoren: |
Als letztes wollen wir uns das Spatprodukt dreier polarer Vektoren
,
und
im transformierten Koordinatensystem
anschauen:
Wir haben wieder die polaren Vektorkomponenten transformiert und die Determinanten-Formel benützt.
Das Spatprodukt ergibt sich dabei zwar gegenüber Drehungen als Skalar, aber gegenüber Spiegelungen keineswegs als invariant, sondern mit einer Vorzeichenumkehr. Eine solche Größe heißt Pseudoskalar.
Aufgabe 9.49: Paritätsverletzung
|
Wir haben hier nur die einfachsten Regeln der Vektoralgebra behandelt. Sie werden im Verlauf Ihres Studiums noch sehr viel mehr mit Vektoren zu tun bekommen. Sie werden Vektoren als Funktionen eines Skalars, vor allem der Zeit studieren, aber auch Skalare und Vektoren als Funktion von Vektoren, vor allem des Ortes oder des Impulses, sogenannte Felder. Sie werden lernen Vektoren zu differenzieren, nach Taylor zu entwickeln und auf mehrere verschiedene Arten zu integrieren. Alle diese Vektoren werden das charakteristische Verhalten gegenüber Drehungen des Koordinatensystems zeigen und bezüglich der Spiegelungen in polare oder axiale unterschieden. Bei der Behandlung der Relativitätstheorie werden Sie mit Vektoren rechnen, die vier Komponenten besitzen. Und in der Feldtheorie mit unendlichdimensionalen Vektoren umgehen lernen. Die Grundstrukturen werden aber immer dieselben sein, die wir hier zusammen kennengelernt haben.
An einigen Stellen der Physik werden Sie über Skalare und Vektoren hinausgehend auf Tensoren zweiter Stufe stoßen, z.B. beim Trägheitsmoment, beim Spannungstensor und dem elektrischen Quadrupolmoment. In der vierdimensionalen Raum-Zeit bilden die elektromagnetischen Felder zusammen einen Feldtensor zweiter Stufe. Auch auf dessen Transformationsverhalten sind Sie durch unsere gemeinsamen Überlegungen vorbereitet. Freuen Sie sich darauf!