Light with future

Licht mit Zukunft

Im Forschungszentrum DESY in Hamburg arbeitet jetzt ein weltweit einmaliger Freie-Elektronen-Laser bei ultravioletten Wellenlängen um 100 Nanometer. Er ist Teil einer Testanlage, die bis 2004 weiter ausgebaut wird und den 33 Kilometer langen Elektron-Positron Collider TESLA samt Röntgenlaser vorbereitet.

Von Georg Wolschin

Als eines der acht Hamburger EXPO-Projekte (Bild 1) hatte sie schon im Jahr 2000 Furore gemacht: die Testanlage für den geplanten supraleitenden Teilchenbeschleuniger TESLA mit integriertem Freie Elektronen Laser am Physik-Forschungszentrum DESY in Hamburg. Im Beschleuniger - einem sogenannten linearen Collider - sollen Elektronen und ihre Antiteilchen auf einer Strecke von jeweils etwa 15 Kilometern hohe Energien von 500 bis 800 Milliarden Elektronenvolt erreichen, bevor sie zur Kollision gebracht werden. Diese Anlage wird einerseits grundlagenphysikalischen Fragestellungen wie der Suche nach dem Higgs-Boson und der Vereinigung der vier fundamentalen Wechselwirkungen dienen, und in der Testanlage werden dazu zentrale Komponenten wie die supraleitenden Kavitäten des Beschleunigers auf einer sehr viel kürzeren Beschleunigungsstrecke geprüft. Andererseits möchten die Wissenschaftler die hohe Qualität des Elektronenstrahls nutzen, um in einer speziellen Magnetfeldanordnung - dem sogenannten Undulator - sehr kurzwelliges Laserlicht zu erzeugen. Mit einem derartigen Freie Elektronen Laser (FEL) wurden im Februar 2000 erstmals Laserlichtblitze im Vakuum-Ultraviolettbereich bei einer Wellenlänge von 109 Nanometern gesehen: Weltrekord an der TESLA-Testanlage. Inzwischen lässt sich über die Energie der Elektronen die Wellenlänge zwischen 80 und 180 Nanometern variieren, und bei einer Wellenlaenge von 98,1 Nanometern wurde im September 2001 die maximal moegliche Verstaerkung (Sättigung) des FEL erreicht. Die Spitzenleistungen der Lichtpulse liegen dabei im Gigawatt-Bereich. (siehe Sättigung und / Abbildung ). Beim weiteren Ausbau soll bis 2004 auch das weiche Röntgengebiet bis hinunter zu sechs Nanometern erschlossen werden.

Ein derartiger Laser weist ganz andere Merkmale auf, als man das von der wohlbekannten Synchrotronstrahlung gewohnt ist. Sie wird von beschleunigten Elektronen ausgesandt - insbesondere von solchen auf einer Kreisbahn in einem Synchrotronstrahlungs-Speicherring. Die Leuchtstärke (Brillanz) dieser Strahlung wurde in Quellen der dritten Generation wie BESSY II in Berlin oder der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble mittels periodischer Magnetstrukturen bereits bis zu 10 000mal erhöht, indem man die Elektronen auf einen Slalomkurs zwingt. Sie strahlen dann in Flugrichtung elektromagnetische Wellen ab, deren Wellenlänge von der Bewegungsenergie der Elektronen und vom Magnetfeld bestimmt wird und die deshalb kontinuierlich verändert werden kann. Anders als beim Laser entsteht dabei zunächst sogenanntes inkohärentes Licht: Die Photonen (Lichtquanten) schwingen nicht alle im Gleichtakt. Für die inkohärente Synchrotronstrahlung wurden zahlreiche attraktive Anwendungsgebiete von der Herstellung feiner Strukturen in der Mikroelektronik über die Erforschung des dreidimensionalen Aufbaus von Molekülen bis hin zu medizinischen Untersuchungen wie der Darstellung der Herzkranzgefäße erschlossen (siehe "Brillantes Forschungslicht bei BESSY", Spektrum 11/1998).

Die Basis von nochmals leistungsfähigeren Anlagen, bei denen die Leuchtstärke mehr als 10^24 Photonen pro Sekunde, Quadratmillimeter und Milliradquadrat erreicht (Bild 2), werden jedoch Freie Elektronen Laser sein. Es gibt FELs heute bereits für weite Bereiche des elektromagnetischen Spektrums von Mikrowellen zum Ultravioletten, aber die eigentlich interessante Entwicklung von Anlagen der neuen Generation bei kurzer Wellenlänge bis in den Röntgenbereich und hoher Intensität steht uns erst bevor.

Bei den leistungsfähigsten geplanten Anlagen wie TESLA werden Elektronen in einem - in der Regel supraleitenden - Linearbeschleuniger nahezu auf Lichtgeschwindigkeit gebracht und dann im Undulator (Bild mit Scientist) auf einen Slalomkurs gezwungen (Schema-Bild). Am Ende dieses Kurses lenkt ein Magnet die Elektronen in einen Absorber, während das hochintensive Laserlicht für wissenschaftliche Experimente zur Verfügung steht: So ist es für TESLA ("TeV Energy Superconducting Linear Accelerator") geplant, und für die Testanlage in einer ersten Stufe bereits verwirklicht. Die Elektronenpakete sind hier sehr viel kompakter als im Synchrotronstrahlungs-Speicherring, und die erzeugten Lichtpulse etwa tausendmal kürzer und zehntausendmal intensiver als dort. Der wichtige prinzipielle Unterschied zur normalen Synchrotronstrahlung liegt darin, dass es sich wie beim Laser um kohärentes Licht handelt: Die Photonen schwingen im Gleichtakt. Das erzeugte Röntgenlicht liegt in einem Wellenlängenbereich, in den konventionelle Laser normalerweise nicht hineinreichen (nur bei Erzeugung höherer Harmonischer, dann sind jedoch die Intensitäten nicht konkurrenzfähig).

Das Funktionsprinzip des Freie Elektronen Lasers unterscheidet sich prinzipiell vom normalen Laser. Dort wird bei Übergängen gebundener Elektronen Licht kohärent ausgesandt und verstärkt. Beim FEL dagegen erzeugen freie beschleunigte Elektronen auf ihrem Slalomkurs die Photonen, und die Kunst besteht jetzt darin, sie so zu verstärken, dass wie beim Laser kohärentes Licht entsteht, die Photonen sich im Gleichtakt bewegen.

Die meisten derzeit betriebenen FELs verwenden wie der klassische Laser einen optischen Resonator mit einem Spiegelsystem, in dem das Lichtfeld mehrfach reflektiert und von jedem neuen Elektronenpaket weiter verstärkt wird. Dieses Prinzip hatte John Madey 1971 vorgeschlagen und dann 1977 mit seinen Kollegen an der Universität Stanford in Kalifornien verwirklicht. Auch der von Achim Richter und Mitarbeitern 1996 an der Technischen Universität Darmstadt in Betrieb genommene FEL funktioniert so, liefert als Besonderheit jedoch einen quasi-kontinuierlichen Laserstrahl im nahen Infrarotbereich. Mehrere Dutzend klassische FELs sind weltweit im Betrieb oder im Bau, beispielsweise am Forschungszentrum Rossendorf oder an der Universität Dortmund. Vor Inbetriebnahme der TESLA-Testanlage lag die kürzeste auf diese Weise erreichte Wellenlänge (in Durham/North Carolina mit einem FEL aus Novosibirsk) bei 193,7 Nanometern im Ultravioletten, mittlerweile liegt sie sogar bei 189 Nanometern (European FEL Project bei ELETTRA, Trieste, Italien).

Will man jedoch zu noch kürzeren Wellenlängen vorstoßen, muss auf mehrfache Durchgänge mittels Spiegeln ganz verzichtet werden, denn die kurzwellige Röntgenstrahlung lässt sich damit nicht geeignet reflektieren. Ausserdem ist die Qualität des Elektronenstrahls weiter zu verbessern: Schon für Wellenlängen im Bereich sichtbaren Lichts muss der Strahldurchmesser so klein und die Dichte der Elektronen so groß sein, dass es viele Jahre unmöglich schien, bei einem einzigen Durchgang des Strahls durch den Undulator eine deutliche Verstärkung zu erreichen.

Mit einem hinreichend intensiven Elektronenstrahl kann stimulierte Emission und kohärentes Licht bei einem einzigen Undulatordurchgang entstehen, wenn die Elektronen als "Lichtquellen" räumlich regelmäßig so angeordnet sind, dass ihr Abstand der Lichtwellenlänge entspricht. Die Elektronen verstärken dann die Amplitude der Lichtwelle in kohärenter Weise und erzeugen so den Lasereffekt. Es zeigt sich, dass ein anfangs ungeordneter Elektronenstrahl eine derartige Dichtemodulation durch Wechselwirkung mit der von ihm selbst erzeugten Undulatorstrahlung bekommen kann: Je stärker die elektromagnetische Welle wird, umso wirksamer ist die Stimulation, und die kohärente Welle wächst lawinenartig an. Dieses Prinzip der selbst-verstärkten spontanen Emission (Self- amplified spontaneous Emission, SASE) hatten Anatoli Kondratenko und Evgeni Saldin bereits 1980 erstmals diskutiert.

In den USA wurde SASE am Lawrence Livermore Laboratory 1984 mit hohen Verstärkungen bei Millimeterwellen (in einem Hohlleiter) experimentell nachgewiesen. Ein SASE FEL wurde in Los Alamos 1998 bei 12 Mikrometer Wellenlänge - im Infraroten weit jenseits sichtbaren Lichts - realisiert, im vergangenen Jahr an der Advaced Photon Source des Argonne-Nationallaboratoriums bei optischen Wellenlängen von 530 Nanometer. Mittlerweile wurde in Argonne sogar Lasen bei 265 Nanometern erreicht. Dort konnte auch gezeigt werden, dass die Laserlicht-Intensität exponentiell mit der Länge des Undulators anwächst. Die Konzeption für einen SASE-FEL im Röntgenbereich wurde zuerst am Stanford Linear Accelerator Center in Kalifornien entwickelt. In der Umsetzung erwies sich DESY bisher als schneller: Mit dem Test-FEL im Ultravioletten - als entscheidende Vorstufe zum Röntgenlaser - bei 80 bis 180 Nanometern (Bild 3).

Die Pulsdauer ist dort mit weniger als einer Pikosekunde (billionstel Sekunde) sehr kurz; in dieser Zeitspanne lässt sich eine Leistung von mehreren Gigawatt auf der Fläche einer Nadelspitze konzentrieren (zum Vergleich: ein großes Kraftwerk hat eine typische Leistung von 1,3 Gigawatt). Derartig hohe Leistungsdichten sind für die Forschung von großem Interesse. Beispielsweise werden die Oberflächen fester Proben innerhalb von Femtosekunden (10^-15 Sekunden) in ein Millionen Grad heisses Plasma erhitzt, das einen Teil der Energie als Schockwelle in die Probe aussendet, die für Strukturuntersuchungen genutzt wird (siehe Spektrum-Dossier: Laser in neuen Anwendungen). Für die meisten Untersuchungen ist jedoch weit geringere Leistungsdichte erforderlich.

Die durchschnittliche Leistungsaufnahme des gesamten, 33 Kilometer langen Beschleunigers wird im übrigen mit etwa 100 Megawatt recht niedrig sein - unter anderem eine Folge des Einsatzes von etwa 20000 je einen Meter langen supraleitenden Niob-Kavitäten (Hohlraum-Resonatoren) als Beschleunigungsstrukturen, durch die Dissipationsverluste in den Wänden sehr gering und die Leistungsübertragung von der 1,3-Gigahertz-Radiofrequenzquelle auf die Elektronen sehr gut ist. Andere Konzepte für Linearkollider in Stanford und Japan gehen dagegen von normalleitenden Kavitäten zur Teilchenbeschleunigung aus.

Die Brillanz der FEL-Strahlung übertrifft die der inkohärenten Synchrotronstrahlung bei weitem (Bild 4) - das gilt nicht nur für die bei DESY und am Linearbeschleuniger in Stanford (Kalifornien) geplanten Anlagen, sondern bereits für die jetzt schon arbeitende TESLA- Testanlage (TTF). Das ist für die Untersuchung stark verdünnter Proben wie beispielsweise Atome, Moleküle und Cluster in der Gasphase sehr wichtig: Die Dichte von Strahlen aus diesen Teilchen ist in der Regel so gering, dass Experimente nur mit intensivem Laserlicht möglich sind. Da sich der Zeitabstand zwischen Laserpulsen mit einer Genauigkeit von 1 Pikosekunde einstellen lässt, können auch Elementarprozesse chemischer Reaktionen, die sich auf eben dieser Zeitskala abspielen, studiert werden.

Dazu muss die Laserlicht-Wellenlänge auf den Spektralbereich der chemischen Reaktionen gut abgestimmt sein. Beim FEL der Testanlage mit derzeit etwa 100 Nanometern im Vakuum-Ultraviolett ist das der Fall: dies entspricht der Bindungsenergie der äußeren Elektronen, durch die chemische Reaktionen bestimmt sind. Im Endausbau 2003/4 werden Wellenlängen im Bereich bis hinunter zu 6 Nanometer (weiches Röntgengebiet) erreicht; damit lassen sich dann auch innere Elektronen ionisieren, die für jedes Element charakteristische Bindungsenergien haben.

Bei der Untersuchung biologischer Proben mit kurzwelliger Strahlung besteht die Hoffnung, dass beispielsweise Proteine, Viren und lebende Zellen mit einem wenige Femtosekunden-kurzen FEL-Blitz untersucht werden können und man hochaufgelöste Aufnahmen erhält, bevor - bei der Röntgenmikroskopie nach etwa 50 Pikosekunden, bei der Strukturanalyse schon nach wenigen Dutzend Femtosekunden - Strahlenschäden die Probe verändern. Für Struktur- und Funktionsuntersuchungen wäre das eine Revolution. Im Idealfall ließe sich beispielsweise die Virusinfektion einer Zelle online in Realzeit mitverfolgen - ein Hilfsmittel von unschätzbarer Bedeutung für die Biologie. Für die Röntgenmikroskopie an lebenden Zellen muss die Wellenlänge der Strahlung allerdings so kurz sein, dass sie von Wasser nicht absorbiert wird. Bei der Röntgenstrukturanalyse (Beugungsexperimente) muss die Wellenlänge sogar kleiner als 1 Nanometer sein, so dass sie nur mit dem Röntgen-FEL möglich sein wird.

Das sogenannte Wasserfenster liegt zwischen 2,3 und 4 Nanometern, also gerade knapp unterhalb der von der TESLA-Testanlage erreichbaren Region. Mit einem nachgeschalteten Undulator und/oder durch Ausnutzen der zweiten oder dritten Harmonischen (Oberwellen) wollen die TTF-Wissenschaftler jedoch auch in diese Region vorstossen.

Eine Entscheidung über das TESLA-Projekt mit Röntgenlaser bis hinunter zu 0,1 Nanometern - entsprechend einem typischen Atomdurchmesser - könnte 2002/3 fallen, der Schildvortrieb für den Tunnel würde ein halbes Jahr später beginnen. Die Anlage wäre für die Hochenergiephysiker das ideale Gegenstück zum Large Hadron Collider LHC, der am Cern im Jahre 2006 in Betrieb gehen wird. Mit etwa acht Jahren Bauzeit ist zu rechnen, bevor neben den unterirdischen Teilchen-Kollisionen die Röntgenstrahlen des Freie Elektronen Lasers fächerförmig in die 20 Stationen der oberirdischen Experimentierhalle gelenkt (Bild) und von den Wissenschaftlern für zahllose Anwendungen genutzt werden könnten; bis dahin wären 7000 Personenjahre Arbeit zu leisten - eine Anstrengung, die nur in internationaler Zusammenarbeit möglich ist. Wenngleich diese Perspektive derzeit noch offen ist, steht das Laserlicht der Testanlage mit einem 300-Meter-Beschleuniger ab 2004 mit Sicherheit für Experimente zur Verfügung.

see Bild 1: DESY-the TESLA Project

Die TESLA- Testfacility TTF als EXPO- Demonstrationsobjekt mit Besuchern. Quelle: DESY.

Quelle: Rolf Treusch/HASYLAB

Bild 2: In etwa hundert Jahren konnte die Leuchtstärke intensiver kurzwelliger Strahlung von Röntgenröhren über Synchrotronstrahlung und nun zum Freie Elektronen Laser um mehr als 15 Größenordnungen verbessert werden.

Bild 3 (Quelle:HASYLAB)

Über die Zeit gemittelter Fluss des Freien Elektronen Lasers in Phase 1 (jetzt) und 2 (betriebsbereit bis 2003) der TESLA Test Facility. Die spontane Emission des Undulators bildet jeweils den Untergrund. Darüber liegen die scharfen Maxima des Freie Elektronen Lasers.

Bild 4 (Quelle: HASYLAB)

Berechnete Peak-Brillanz der Freie Elektronen Laser (FEL) an der TESLA- Testanlage TTF und der "Linac Coherent Light Source" (LCLS) am SLAC in Stanford im Vergleich zu den heute schon arbeitenden Synchrotronstrahlungs-Speicherringen der dritten Generation (als Beispiele: BESSY II in Berlin, ESRF in Grenoble, Frankreich und Spring 8 in Japan). Die FEL-Werte liegen etwa 8 Größenordnungen höher.

For further information, see DESY:the TESLA Project

Siehe Spektrum d. Wissenschaft 4 (2002) 17 für den illustrierten - redigierten und gekuerzten - Artikel.

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